Rubrik Kultur auf dem Dreiecksplatz
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Langenachtderkunst 2018, »Transpohrter«
Langenachtderkunst 2019, »GTrommelt«
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Muff Potter. Foto: Bastian Bochinski, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
KGB Open Air 2023 mit Muff Potter, Support Fluppe, Kulturgüterbahnhof Langenberg, 9. Juni 2023
Langenberg, 2. April 2023
Man muss kein ausgewiesener Band Romantiker sein, um zu wissen: Es gibt Konstellationen, bei denen die Summe gewaltiger ist als ihre sprichwörtlichen Teile. So eine besondere Fügung des Schicksals wurde Thorsten Nagelschmidt, Dominic Laurenz und Thorsten Brameier bereits vor langer Zeit zuteil. Gemeinsam mit dem Gitarristen Dennis Scheider gestalteten sie den prägenden Teil der 16 Jahre und 7 Alben währenden Karriere von Muff Potter. Wenn Menschen sich so lange kennen und musikalisch blind verstehen, ist das ein kostbares Geschenk.
Im Jahre 2009 offiziell aufgelöst, spielten Muff Potter im August 2018 überraschend beim antifaschistischen #Festival Jamel rockt den Förster, im Anschluss gaben sie ein paar Tourdaten bekannt. 7 Shows im Januar 2019, kaum Werbung, keine große Sache. Dachten sie zumindest, denn nun brach die Hölle los: Sämtliche Shows waren binnen Minuten ausverkauft und mussten in größere Hallen verlegt werden. Es gab keine Interviews, keine aktiven Social-Media-Kanäle, keine neue Musik, aber offenbar eine große Muff Potter Sehnsucht da draußen. Auch bei den Musikern selbst, das wurde jetzt immer klarer. Ebenso klar war ihnen allerdings, dass ihnen Muff Potter zu wichtig ist, um »ewig die #Nostalgiekuh zu melken«, wie Nagelschmidt sagt. Wenn diese Geschichte wirklich weitergehen sollte, brauchten sie einen echten Grund. Idealerweise einen künstlerischen.
Die alles entscheidende Frage: Wie kann man als Band, die 9 Jahre nicht existiert hat, überhaupt sinnvoll weitermachen? »Ich wollte auf keinen Fall so tun, als würden wir irgendwo nahtlos anknüpfen«, sagt Sänger, Gitarrist und Texter Thorsten Nagelschmidt. Es ging also darum, die vergangene Zeit auf eine Weise sichtbar und hörbar zu machen, dass dabei trotzdem frische, aufregende #Musik herauskommt. Im Hier und Jetzt gültig, aber eben doch: laut und physisch. Die Frage erledigte sich von selbst, als die Musiker zum ersten Mal mit ihren Instrumenten in einem Raum standen, um an neuen Songs zu arbeiten. Immer wieder haben Muff Potter sich in den Jahren 2020 und 2021 zu Probe-Sessions aufs Kulturgut Haus Nottbeck in Oelde zurückgezogen und dabei Musik auf eine Weise körperlich erlebt, wie das wohl nur durch die pandemiebedingte Isolation dieser Zeit möglich war. Die sich daraus ergebende Dringlichkeit übertrug sich automatisch auf die Songs.
»Diese neuen Songs haben für mich den Ausschlag gegeben, unbedingt dabei sein zu wollen«, sagt Felix Gebhard, der nach Dennis Scheiders Ausstieg die Rolle des zweiten Gitarristen übernahm. Produziert hat die Band »Bei aller Liebe« im Studio Nord Bremen – und damit genau an jenem Ort, wo in einer anderen Zeit in einem anderen Leben das allererste Muff-Potter-Album gemastert worden war. Das Studio wird mittlerweile von Gregor Hennig betrieben, der unter anderem Die Sterne und Phillip Boa produziert hat und der sich als die perfekte Wahl für »Bei aller Liebe« erwies.
»Die meisten Songs wurden live aufgenommen«, sagt Nagelschmidt, »ganz klassisch: vier Leute in einem Raum, die zusammen Musik machen.« Man hört es überdeutlich: »Bei aller Liebe« ist von einer überwältigenden Live-Energie durchzogen, man spürt in jedem Moment das wild schlagende Herz einer Band, die sich selbst und ihre Liebe zur gemeinsamen Sache wiederentdeckt hat. Immer wieder geht es um musikalische und inhaltliche Opposition zu Selbstoptimierung und Vereinzelung. Wie Sound-Design und Text in einer perfekt verzahnten Symbiose aufgehen, zeigt sich besonders gut in »Nottbeck City Limits«. Während Muff Potter in seliger Abgeschiedenheit im Kulturgut Haus Nottbeck in Klausur gingen, vollzog sich gleich um die Ecke in #Rheda #Wiedenbrück das Drama des #Corona #Skandals bei #Tönnies, der zugleich die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und Produktionsbedingungen in dem #Fleisch Großunternehmen offenbarte. »Man konnte das problemlos ignorieren, wenn man wollte«, sagt Nagelschmidt. »Ab und zu sah man Transporter, mit denen die Arbeiter von A nach B transportiert werden, sonst bekam man vom größten Schlachthof Europas nicht viel mit.« Muff Potter haben es nicht ignoriert, und so entwickelt sich der wie ein Hörspiel beginnende Song zu einem klassenkämpferischen Fanal über die tägliche Agonie der geschundenen Tiere und #Lohnsklaven.
Eine besondere Rolle in dieser Musik spielt der Bass von Dominic Laurenz, der spielerisch und hochvariabel immer wieder ungeahnte Räume und Ebenen für die Gitarren aufmacht, über denen Nagelschmidt seine Vorliebe für eingängige Pop-Harmonien auslebt. So ergibt sich eine überaus dichte, organische und moderne Rockmusik, die auf wundersame Weise gleichzeitig komplex und hochmemorabel ist. Permanent passiert hier etwas, es gibt unzählige wunderbare Details zu entdecken. Aus alten Fragestellungen und neuen Antworten haben Muff Potter die vielleicht aufregendste, vielstimmigste Musik ihrer Karriere destilliert. Mit ihrem auf dem bandeigenen Label Hucks Plattenkiste erscheinenden achten Studio-Album »Bei aller Liebe« haben sie einen neuen Raum für sich und andere gefunden. Ein Raum, in dem die Möglichkeiten unendlich erscheinen. Jenseits von jedem und offen für alle.
Fluppe
Gute Songs sind wie Bilder. Wie Gemälde oder Filmszenen. Für die Ohren der Hörer eingefangene, gemalte, hingezauberte Geschichten aus Wort und Ton. So wie Fluppe Songs. Auch auf ihrem 2. Album geschehen wieder seltsam berauschende Dinge. Es sind mit fantasievoller, detailverliebter Hand skizzierte und bunt kolorierte Songwelten.
Nach ihrem 2021 erschienenen Debütalbum »Blüte« spielen die 4 Musiker aus Hamburg auf ihrem neuen Album wieder einen poetisch versponnenen Indie Rock. Die Band besteht aus Josef Endicott, Antoine Laval, Lars Brunkhorst und Christian Klindworth. Als Hamburger Band sind fluppe natürlich die einschlägigen Vergleiche gewohnt. Die gab es von Anfang an, auch wenn nichts so richtig zu passen scheint. Vielleicht haben sie einfach von allem ein bisschen in sich aufgenommen: die Angriffslust von Turbostaat, der Wille zur Zärtlichkeit und die Lust am Fabulieren von Tocotronic. Vor allem aber machen fluppe in der Welt der neuen deutschen #Post #Punk Generation einfach ihr eigenes Ding. »Fluppe« klingt, wie nur Fluppe klingen kann.
Auf »Boutique« sind die Melodien noch zuckersüßer, noch ansteckender als auf »Blüte« im vergangenen Jahr. Und noch leichtfüßiger sind die narrativen Haken, mit denen fluppe versuchen, dem schroffen Alltagstrott ein Schnippchen zu schlagen. Entstanden ist die zweite Platte in den zähen Wochen und Monaten der Pandemie. Klar, wir erinnern uns alle an diese Tage der Seltsamkeit. Auch am Proberaum von fluppe in Hamburg Billstedt sind diese natürlich nicht spurlos vorbeigegangen. Trotzdem wollten die Vier vermeiden, dass diese Zeit in den Texten allzu präsent ist, sagt Christian. Höchstens unterbewusst, zwischen den Zeilen und ganz tief im Inneren der Songs kann man sie spüren: »diese Stimmung zwischen Resignation und Sehnsucht«.
»Viel wichtiger als das kleine bisschen Lokalkolorit ist der Band während der Entstehung von Boutique musikalische Neugier und Experimentierfreude gewesen. fluppe hatten keine Lust, nochmal die gleiche Platte zu machen und nahmen sich deswegen vor, die Federbetten ihres Songwritings ordentlich aufzuschütteln. ›Unsere Idee war es, einen klaren Schritt in Richtung Pop zu gehen‹, sagt Christian, ›alles ein bisschen aufzuhübschen sozusagen‹. Herausgekommen ist Musik, die zu gleichen Teilen berührt und verwirrt. fluppe bauen mit ihren Songs verwaschene Kulissen und vage Settings für Themen und Gefühle, die die Hörer:innen dann selbst weiterspinnen können. Wie die besten Geschichtenerzähler:innen lassen sie viel Raum für eigene Gedanken. Klar ist nur: So detailverliebt, flimmernd und verlockend wie auf Boutique war deutscher Indie Rock schon lange nicht mehr«, Annett Scheffel, #Musikexpress, #Dummy #Magazin, #Spiegel, #SZ.