Rubrik Kultur auf dem Dreiecksplatz
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Langenachtderkunst 2018, »Transpohrter«
Langenachtderkunst 2019, »GTrommelt«
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Foto: Nick Karvounis, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Auch das Handwerk selbst hat Fehler gemacht
Gütersloh, 14. März 2023
Es ist noch nicht allzu lange her, da sollten Azubis doch bitte ein Abitur haben.
Es ist auch noch nicht allzu lange her, da galt das Motto: »Mach dein Abi, und dann mach erstmal [!] eine Ausbildung, damit du was hast. Und dann kannst du immer noch studieren«.
Das heißt also: Mit der Ausbildung hat man was – aber mit dem Studium ist man was?
Auf jeden Fall will jeder was sein.
Wohin das schon geführt hat, sehen wir. Gratis Abis, #Pseudoakademisierung, Abschaffung von #Hauptschule und #Realschule. Schon für Pöstchen wird ein »Studienabschluss« verlangt.
Wohin das noch führen kann, sehen wir in den USA. Und natürlich auch schon hierzulande. Man kann von Banalisierung sprechen. Oder Bananisierung. Ballaballaisierung.
Wir kennen Begriffe und Einrichtungen wie die »Police Academy« (natürlich in Erster Linie als lustige Blödelfilmreihe). Gar die »McDonald’s Academy«. Wer Fritten in die Friteuse schmeißen will, Burger braten will, oder mit Headset am Drive In Schalter sitzen will, muss erstmal zur »Academy«. United States Military Academy. Alles ist eine »Academy«.
Es geht schon damit los, dass Fachhochschulen #Doktortitel vergeben. Dass die Dozenten »Professoren« sind.
Werden wir erleben, dass die Systemgastronomiethekenkraft einen Doktortitel der McDonald’s Academy trägt? »Sie sprechen mit Dr. Chantal Ackermann. Darf es ein Cheeseburger sein? Wenn Sie eine Apfeltasche dazu nehmen, kann ich das als Menü buchen und Sie bekommen eine mittlere Cola und eine kleine Pommes gratis dazu!« … »Ja, danke Frau Doktor!« …
In den USA gibt es beispielsweise den »Doctor of Chiropractic«. Hierzulande kann man (noch) Chiropraktik per Wochenendkurs lernen, muss aber Heilpraktiker sein, um sie zu praktizieren (oder Phsyiotherapeut). Heilpraktiker ist dabei keine Ausbildung – Heilpraktiker wird man, indem man eine Amtsärztliche Prüfung mit Multiple Choice Fragen und einem mündlichen Teil ablegt, um nachzuweisen, dass man keine »Gefahr für die Volksgesundheit« darstellt. Vorbereiten kann man sich darauf wiederum in Wochenendkursen. Oder autodidaktisch. In einem Versuch war die Durchfallquote bei einer Heilpraktikerprüfung von Medizinstudenten im Ersten Semester auffällig gering.
Das Heilpraktikergesetz kommt aus dem sogenannten »Dritten Reich« und ist bis heute gültig. Die einen meinen, es sei eingeführt werden, um der Scharlatanerie Einhalt zu gebieten, und sollte später abgeschafft werden (was freilich nicht geschah). Die anderen meinen, es sei eingeführt worden, um es Opportunen zu ermöglichen, Menschen zu Euthanasieopfern zu erklären, was viele Ärzte verweigert haben.
Dass aber Erfahrung das Wichtigste ist? Geschenkt. Es gibt dumme Sprüche wie: »Wie soll ich Erfahrung sammeln, wenn ich den Job nicht bekomme?« … tja. Wie? Ganz einfach, Sportsfreund: Indem du »unten« anfängst. Und dich hocharbeitest. Das vermeintlich nicht zu müssen, führt dann etwa dazu, dass Azubis im Ersten Lehrjahr meinen, sie könnten, dürften und müssten mit der Geschäftsführung auf Augenhöhe diskutieren.
Darüber hinaus ist das ein Teufelskreis. Wenn man damit anfängt, für jedes Pöstchen einen pseudoakademischen Titel zu verlangen, schafft man einen Pseudobedarf an Pseudotiteln. Noch ist es nicht ganz so schlimm wie es noch werden könnte. Aber – mit Karl Valentin gesagt – hoffentlich wird es nicht so schlimm wie es schon ist.
Natürlich kann es dann auch niemanden verwundern, wenn manche sagen, sie würden deutlich mehr Geld als Arbeitslose haben wollen, wenn sie arbeiten sollen. Sonst würde es sich ja nicht mehr »lohnen«, zu arbeiten.
Es soll keine Frage des Geldes sein, einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. Das bedeutet umgekehrt, dass man Arbeitslose nicht durch Sanktionen drangsalieren und demütigen soll. Sie sollen einen Beitrag zur Gemeinschaft leisten. Freilich soll man sie nicht zu vermeintlich »niederen Tätigkeiten« verdonnern, was versucht wurde (Müll sammeln, Unkraut jäten). Solche Jobs sind aller Ehren wert und wie wichtig sie sind, weiß eigentlich jeder. Aber niemand will sie machen.
Davon, dass das alles ein #Popanz ist, ganz abgesehen. Die Wirklichkeit sieht (siehe USA) ganz anders aus. Breite finanzielle und geistige Armut, das Verschwinden des »Mittelstands«, Eliten. Viele müssen mehrere Jobs wahrnehmen. Viele haben gar keine. Die »Ivy League« sind am Rande bemerkt letztlich keine Eliteuniversitäten, sondern Elitenuniversitäten. Ein Buchstabe macht den Unterschied.
Die Lage ist verfahren, und man versucht, sich à la Münchhausen an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Das funktioniert leider nur im Märchen. Oder funktioniert es Gott sei Dank nur im Märchen?
Man wirft manchen »Migrationshintergrundsnahen« vor, ihre Kinder wie »Kleine Paschas« zu behandeln. Aber wer betreibt denn die beliebten »Elterntaxis«, die teils damit gerechtfertigt werden, der Straßenverkehr (der sie selbst sind) sei überbordend und gefährlich? Aber wiederum wird hier übertrieben: Nicht alle Eltern betätigen sich als Taxichauffeure. Wir sehen etwa an Schulen mit 1.000 Schülern nicht täglich 1.000 »Elterntaxis«. Aber schon der recht geringe Anteil ist ein Riesenproblem.
Über das Thema könnte man sich endlos auslassen (und das tut man auch). Letztlich wussten »früher« wenige viel über wenig. Heute weiß jeder nichts über alles.
Die Schuld daran schreiben manche dem Fernsehen zu. Das Fernsehen hat einen Diskurstyp etabliert, der Logik, Vernunft, Folgerichtigkeit und Widerspruchslosigkeit preisgegeben hat.
In der Ästhetik bezeichnet man das als »Dadaismus«, in der Philosophie als »Nihilismus«, in der Psychiatrie als »Schizophrenie« und in der Theatersprache als »Varieté«.
»Das Internet«, genauer gesagt »Social Media«, ist allerdings noch viel schlimmer als das Fernsehen. Insofern ist die Gefahr des Verschwindens von »Print« nach der Medientheorie und der Neuen Medientheorie kaum zu überschätzen. Viele ahnen indes gar nichts von ihr. Und das ist nicht nur ein technisches Problem, sondern ein epistemologisches Problem.
Dass es ein Problem ist, lässt sich leicht illustrieren: Die gedruckten Supermarktprospekte sind verlockend – mehrere Seiten mit zig Schnäppchen. Sie liegen in der Küche, im Klo oder sonstwo herum, man blättert darin herum, man schmeißt sie irgendwann weg. Aber wenn sie »digitalisiert« sind – was tut man dann? Dann muss man sie schon aktiv abrufen (es gibt besseres zum Abrufen), man hat keinen Überblick, sondern sieht nur Einzelnes. Die Handhabung ist völlig anders. Und sie ist nicht besser. Ob das ganze dann ressourcenschonender ist, ist letztlich fraglich. Mehr als fraglich. Jedenfalls verschwinden Jobs und ganze Branchen. Und digitale Inhalte kann heute jeder zusammendaddeln. Was das für welche sind und welche Qualität sie haben, sollte man natürlich nicht hinterfragen. Nicht zuletzt deshalb nicht, weil man damit diejenigen womöglich diskriminieren würde.
Die »Digitalisierung« hat Vorteile und Nachteile. Man muss wissen, wo und wie man sie einsetzt und wo und wie nicht. In Wahrheit kann man nicht alles googeln. Sogar vergleichsweise wenig. Das merkt man aber nicht, denn man weiß gar nicht, was man nicht weiß. Zahnarzt kann man freilich unmöglich per Google und Youtube Fernstudium werden. Das wird auch niemals möglich sein. Hoffentlich.
Roger Willemsen hat sehr Kluges gesagt.
»Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung.«
»Es ist eine andere Welt, in der man zwischen ›Freiheit‹ und ›Freizeit‹ nicht unterscheiden kann, ›Gesellschaft‹ sagt und ›Zielgruppe‹ meint, von einem ›Konzept‹ spricht und nicht einmal eine ›Idee‹ besitzt, von einer ›Idee‹ spricht und nicht einmal einen ›Einfall‹ hat.«