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Weltweiter Klimaskandal? Oder: wie Massenmedien den freiwilligen Klimaschutz gefährden. Oder: Wer ist Hannah? Foto: Nature Office, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Nature Office, weltweiter Klimaskandal? Wie Massenmedien den freiwilligen Klimaschutz gefährden. Oder: Wer ist Hannah?
Wiesbaden, 2. Februar 2023
Am 19. Januar 2023 erschien in der Zeit ein Artikel mit dem Thema »Der #Klima #Betrug«. Da die Tragweite dieses Artikels sehr hoch ist und weltweit Unternehmen zum Erreichen ihrer (selbst gesteckten) #Klimaziele auf Kompensation von #CO2 durch Klimaschutzprojekte setzen, möchte Nature Office kurz Stellung dazu beziehen. Hauptthema des Artikels ist die Methode zur Berechnung von Waldschutzprojekten, die Verra unter anderem zur Kompensation von CO2 Emissionen anbietet. Der Artikel beruht jedoch nicht auf seriös recherchiertem und belegtem Journalismus, sondern hat die Intention, die Leser im Bereich #Klimaschutzprojekte negativ zu beeinflussen. Es wird von einem »freikaufen« der Unternehmen gesprochen sowie einige Firmennamen genannt und in Verruf gebracht. Über die Notwendigkeit der Zusätzlichkeit in Klimaschutzprojekten sowie die Definition von Klimaneutralität wird nicht berichtet.
»In unserer Stellungnahme werden die Behauptungen des Artikels aufgegriffen, um die Berichterstattung zu hinterfragen.«
Gegenstand ist ein in der #Zeit, in der Rubrik #Wirtschaft am 19. Januar 2023 erschienener Artikel mit dem Titelthema: Der Klima-Betrug. In Zusammenarbeit mit der britischen Tageszeitung The Guardian und des britischen Reporterpools SourceMaterial wird berichtet, dass vermeintlich über viele Jahre Zertifikate über den Klimaschutzstandard Verra ausgegeben wurden, die es nicht hätte geben dürfen. Die Methode, nach der die Projektbetreiber die CO2 Einsparungen berechnet haben, sei fehlerhaft oder nicht geeignet. Auffällig ist, dass im Artikel der Zeit vermehrt Ausdrücke, wie scheinbar, offensichtlich, vermutlich, anzunehmen usw. verwendet und Expert*innen zitiert werden, die einerseits an der Entwicklung der Methode mitgewirkt haben, anderseits jedoch zu der Einsicht gekommen sind, dass die Methode ungeeignet sei, um die #CO2 #Einsparung zu berechnen. An dieser Stelle ist anzumerken, dass neu entwickelte Methodiken im Rahmen der Prüfung auch einer Public Consultation unterzogen werden. Hierbei wird jedem die Möglichkeit gegeben, vor Einführung einer Methodik begründete Einwände und Anmerkungen zu äußern.
Zugegebenermaßen können sich Berechnungsmethoden in der Praxis als ungeeignet erweisen. In dem Fall ist es Aufgabe des Klimaschutzstandards, im vorliegenden Fall von Verra, die Kritik aufzugreifen und die Methode zur Berechnung, falls notwendig, anzupassen. Verra arbeitet bereits seit einem Jahr an einer Überarbeitung und Zusammenlegung der verschiedenen Methoden für Waldschutzprojekte.
Was ist wirklich der Sachverhalt des Artikels? Es werden Unternehmen angegriffen, die sich im freiwilligen Klimaschutz engagieren, also per Gesetz oder Verordnung nicht verpflichtet sind CO2 Emissionen auszugleichen, sich aber dennoch mit ihren eigenen Treibhausgasemissionen auseinandersetzen und die Möglichkeit des CO2 Ausgleichs nutzen. Diesen Unternehmen wirft der Artikel vor, sich mit unseriösen Zertifikaten frei zu kaufen und in diesem Zug, so vermutet Die Zeit sogar, noch mehr CO2 zu emittieren, da CO2 Zertifikate wie ein Freifahrtschein fungieren könnten. Mit ihrem freiwilligen Engagement würden diese Unternehmen sogar noch die Klimakrise verstärken.
Wovon haben sich Unternehmen freigekauft?
Alle Unternehmen, die nicht dem verpflichtenden Emissionshandel unterliegen, können sich freiwillig im Klimaschutz engagieren. Das tun Unternehmen in der Regel mit der Erstellung einer Treibhausgasbilanz und dem anschließenden freiwilligen Ausgleich der nicht weiter reduzierbaren oder vermeidbaren Treibhausgasemissionen. Der Ausgleich der Treibhausgasemissionen erfolgt über den Ankauf und der verbindlichen Stilllegung von CO2 Minderungszertifikaten, die für Klimaschutzprojekte von den Klimaschutzstandards (Gold Standard oder Verra) ausgegeben (den Klimaschutzprojekten zugeteilt) werden.
Der Artikel der Zeit suggeriert, dass Unternehmen, die sich im freiwilligen Klimaschutz engagieren, verpflichtet wären, CO2 Emissionen entweder zu vermeiden oder zu reduzieren oder im billigsten Fall über CO2 Zertifikate auszugleichen. Wenn Unternehmen nicht verpflichtet sind, können sie sich auch nicht freikaufen.
Wer hat die CO2 Einsparung versprochen?
Das Themenfeld ist zugegebenermaßen komplex, sodass es eine intensive Einarbeitung erfordert, um zu verstehen, wie die Mechanismen funktionieren. Die Zeit selbst beschäftigt sich erst seit wenigen Jahren mit dem Themenkomplex Klimawandel, Klimaschutz und freiwilliges Engagement im #Klimaschutz. Aus diesem Grund klären wir mit jahrelanger Expertise gerne auf und wollen etwas Licht in die vielen Schatten des Zeit Artikels bringen.
Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass der freiwillige Klimaschutz das ist, was das Wort freiwillig (Definition Duden: aus eigenem freiem Willen geschehend; ohne Zwang ausgeführt) sagt. Es handelt sich um ein freiwilliges, unaufgefordertes Engagement. Unternehmen müssen sich nicht freikaufen oder etwas versprechen, was sie nicht halten, weil sie es nicht beeinflussen können.
Es existieren Klimaschutzstandards, wie beispielsweise der Gold Standard oder der VCS (Verified Carbon Standard), welche weder staatlich organisiert noch einer staatlichen Kontrolle unterlegen sind. Ziel beider Organisationen ist es, Kriterien zu entwickeln, nach denen sich Projekte (Klimaschutzprojekte) zertifizieren lassen können, wenn sie Kriterien und Regeln der Klimaschutzstandards erfüllen. Angehende Klimaschutzprojekte müssen zunächst durch die Einreichung von Unterlagen (Projekt Design Dokumentation – kurz PDD) bei den Klimaschutzstandards beurteilt werden. Klimaschutzstandards prüfen in dieser Projektphase die Dokumentationen, um festzustellen, ob aus den eingereichten Unterlagen ersichtlich ist, dass das angehende Klimaschutzprojekt überhaupt in der Lage ist, die Kriterien und Regeln des Klimaschutzstandards zu erfüllen. Kommt der Klimaschutzstandard nach Prüfung der Unterlagen zu der Folgerung, dass die eingereichten Unterlagen plausibel sind und das angehende Klimaschutzprojekt die Anforderungen erfüllt, erfolgt der nächste Schritt.
Überprüfung der Klimaschutzprojekte vor Ort
In dieser Phase werden die angehenden Klimaschutzprojekte vor Ort von durch Zertifizierungsstellen zugelassenen Prüfer und Auditoren überprüft. Es wird bei der Prüfung nicht nur die angewendete Methode zur Berechnung der CO2 Bindung oder Vermeidung überprüft, sondern auch zahlreiche andere Kriterien der Klimaschutzstandards.
Ein immer wieder diskutiertes Kriterium ist die Zusätzlichkeit. Dieser Begriff bedeutet, dass das Projekt nur durch den zusätzlichen Verkauf von Zertifikaten umgesetzt werden kann. Ferner werden je nach Projektart (Wind, Wasser, Solar, Biomasse, Kochofen, Wasser, Aufforstung oder Waldschutz) zahlreiche weitere Kriterien und Regeln auf deren Einhaltung hin überprüft. Erfüllt ein Projekt alle vom Klimaschutzstandard vorgegebenen Kriterien und dies wird bei der Prüfung vor Ort bestätigt, wird das Klimaschutzprojekt zertifiziert. Daraufhin erhält das Projekt gemäß der Berechnung die entsprechenden Zertifikate. Dies geschieht aber erst nach Bindung oder Vermeidung, in Abhängigkeit vom Projekttyp. Alle Dokumente, welche die Projektbeschreibung mit den ausführlichen Berechnungen, das Basisszenario sowie alle Prüfprotokolle des Zertifizierers beinhalten, sind öffentlich einsehbar
Klimaschutzprojekte unterliegen einer regelmäßigen vor Ort Prüfung
Klimaschutzprojekte werden in von der Projektart abhängigen Zeitabständen regelmäßig vor Ort auf Einhaltung von Kriterien und Regeln von Prüfern kontrolliert. Die Methode zur Berechnung der CO2 Bindung oder Vermeidung wird nicht erneut begutachtet, da dies bereits zur Erstzertifizierung vom Klimaschutzstandard überprüft wurde und sich im Laufe des Projektes nicht ändert. Die tatsächlich gebundene oder vermiedene Menge an CO2 Emissionen wird jedoch regelmäßig geprüft.
Wer hat die CO2 Einsparung versprochen?
Auch an dieser Stelle suggeriert die Sub Headline des Zeit Artikels, dass Unternehmen, die mit Zertifikaten nicht reduzierbare oder vermeidbare CO2 Emissionen ausgleichen, sich freikaufen und diese Zertifikate weniger CO2 einsparen als man kommuniziert.
Diese Äußerung der Zeitung ist anmaßend und soll die Leser empören, sodass Unternehmen, die sich im freiwilligen Klimaschutz engagieren, unsachlich kritisiert werden. Der Artikel der Zeit zieht nicht in Erwägung, dass Unternehmen, die sich im freiwilligen Klimaschutz einsetzen, ihre emittierte CO2 Emission lediglich durch einen Standard zugeteilte Zertifikate ausgleichen.
Ungeeignete Methoden zur Berechnung von CO2 Einsparung
Der ganze Artikel konzentriert sich im Wesentlichen darauf, dass es bei Verra unter anderem eine von vielen Methoden zur Berechnung von CO2 Einsparung bei Waldschutzprojekten gibt, die scheinbar zu einer größeren Zuteilungsmenge von Zertifikaten führt. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, ist es die Aufgabe des Klimaschutzstandards Verra, dem nachzugehen und die Methode zu verändern.
Unternehmen, die Verra zertifizierte Waldschutzzertifikate gekauft haben oder kaufen, kann auch von Seiten der Zeit kein Vorwurf gemacht werden.
Profilierungsversuch auf Kosten der Schwächsten
Die Intention des Zeit Artikels ist aufhetzend und provozierend, sodass die Absicht der Journalisten hinterfragt werden sollte. Die Journalistin Hannah Knuth ist allerdings nicht die einzigen Pressevertreter, die seit Jahren gegen ein Engagement im freiwilligen Klimaschutz schreiben. Ein weiteres Beispiel ist die WirtschaftsWoche, die den Sachverhalt von Klimaschutzprojekten nicht erkennt sowie unwissend über den Mechanismus der Klimaneutralität beziehungsweise wie Klimaneutralität definiert wird, ist (IPCC).
Carbon neutral or Net zero emissions, mehr …
Laut IPCC heißt klimaneutral oder das Erreichen von Netto-Null-Emissionen, dass die anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen in die Atmosphäre durch den anthropogenen Abbau über einen bestimmten Zeitraum ausgeglichen sind. Da viele Unternehmen zur Erlangung der Klimaneutralität nicht auf unternehmenseigene Biogene CO2 Senken zurückgreifen können, gibt es den Mechanismus der Kompensation.
Der Mechanismus der Kompensation geht zurück auf das #Kyoto #Protokoll und den Artikel 12 – umweltverträgliche Entwicklung – Clean Development Mechanism.
Hier heißt es in Absatz 2: »Zweck des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung ist es, die nicht in Anlage I aufgeführten Vertragsparteien (Anmerkung: die Entwicklungsländer und Schwellenländer) dabei zu unterstützen, eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen und zum Endziel des Übereinkommens beizutragen, und die in Anlage I aufgeführten Vertragsparteien dabei zu unterstützen, die Erfüllung ihrer quantifizierten Emissionsbegrenzungsverpflichtungen und Emissionsreduzierungsverpflichtungen aus Artikel 3 zu erreichen.«
Was erwarten wir von gutem Journalismus?
Guten Journalismus zeichnet ein Artikel aus, der auf umfangreicher und wissenschaftlicher Recherche beruht und mit Fakten und Daten belegt ist sowie dass sich die Autoren über die Tragweite eines Artikels in einer Zeitung mit hoher Auflagenanzahl bewusst sind. Dies trifft auf den Artikel der Zeit leider nicht zu.
Aber was sind die Fakten? Fakt ist, dass seit über 30 Jahren #Klimapolitik betrieben wird und die jährlichen #Treibhausgas #Emissionen noch immer steigen (IPCC AR6 WG III), mehr …
Es herrscht mit dem globalen Anstieg ein globales Problem. Ein Problem, welches die Politik allein nicht lösen kann – zumindest nicht in der Zeit, die für ein potenziell erträgliches Zukunftsszenario bleibt. Fakt ist, dass gerade Entwicklungs- und Schwellenländer einen steigenden Einfluss auf die weltweiten Treibhausgas Emissionen haben und hier somit ein wichtiger Hebel sind. Schon mit dem Kyoto Protokoll wurde daher der CDM Mechanismus eingeführt. Kompensationen aus dem freiwilligen Markt gewannen hier in der nahen Vergangenheit mehr und mehr an Bedeutung. Tatsache ist außerdem, dass zertifizierte Klimaschutzprojekte für die Erfüllung der Standards umfangreiche Projektdokumentationen einreichen müssen, welche neben den vor Ort Audits geprüft werden. Die Kriterienkataloge sind umfangreich und die Methodiken häufig komplex. Gegebenheiten in Projekten sind oft individuell. Standards und Normen sind daher in stetiger Entwicklung, um auf neue Erkenntnisse aus Praxis und Wissenschaft zu reagieren. Um die vor uns liegende Aufgabe – Reduzierung der globalen Treibhausgasemissionen – zu schaffen, werden globale Anstrengungen in allen Bereichen benötigt. Essenziell sind Reduktions- und Vermeidungsstrategien aber auch Projekte in Entwicklungsländern und Schwellenländern.
Was ist die Intension des Artikels, der Artikelreihe?
Veröffentlicht wurde der Artikel in der Reihe »Der #Klimabetrug«. Es wird suggeriert, man sei einem systematischen Betrug auf die Spur gekommen, aber es geht in keinem der Artikel darum, eine objektive Sicht auf die Dinge zu liefern. In den Artikeln werden nur Negativszenarien aufgegriffen (Blumenstraußartikel) oder Experten mit fragwürdigen Methodiken herangezogen (Stellungname Verra). Mit der Zielsetzung, die Auflage zu erhöhen oder Klicks zu steigern, um sich zu profilieren. Objektiv gesehen war es zu keinem Zeitpunkt Ziel, sich ernsthaft mit der Thematik »Klimaneutralität und dem Mechanismus der Kompensation« auseinanderzusetzen oder diesen zu verstehen. Es wird suggeriert, dass alle Beteiligten unseriös handeln und vorsätzlich anderen einen Schaden zufügen. Potenzieller Verlierer sind am Ende aber Projekte in Entwicklungsländern, welche keine Unterstützung mehr erhalten, weil sich Unternehmen aus dem freiwilligen Engagement zurückziehen. Wer fügt hier also wem vorsätzlich und durch einseitige und verdrehte Berichterstattung Schaden zu – der unseriöse Journalismus?
Fazit: Die Zeit kann das Rad der Veränderung nicht zurückdrehen. Wir sehen, dass Unternehmen sich auch weiterhin engagieren und den Sinn von Klimaschutzprojekten erkannt haben. Unternehmen, die sich aufgrund solcher Berichterstattung öffentlichkeitswirksam aus einem Engagement im freiwilligen Klimaschutz zurückziehen, wie dies zum Beispiel die Drogeriemarktkette Rossman tut, entscheiden dies vermutlich aus anderen Gründen. Diesen Unternehmen hat Die Zeit einen Bärendienst erwiesen. Zum Glück sind diese Unternehmen in der Minderheit.