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»Wann war Varus wo?« Was neue Forschungen über die Römer in Westfalen bedeuten könntenZoom Button

Dr. Bettina Tremmel ist Expertin für Archäologie der Römerzeit beim Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL). Foto: RLS Jakobsmeyer, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

»Wann war Varus wo?« Was neue Forschungen über die Römer in Westfalen bedeuten könnten

»Wann war Varus wo?« Was neue Forschungen über die Römer in Westfalen bedeuten könnten

Haltern, Münster, LWL, 2. Januar 2023

Nach neuen Forschungen sollen Metallfunde einen weiteren Hinweis geben, dass die sogenannte #Varusschlacht zwischen Germanen und Römern vor 2.000 Jahren in Kalkriese bei #Osnabrück tobte. 

Dr. Bettina Tremmel ist Expertin für #Archäologie der Römerzeit beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Sie erläutert, was die Forschungsergebnisse für ihr Fachgebiet, die Provinzialrömische Archäologie, und die Römerlager in Westfalen bedeuten könnten.

Welche Zusammenhänge bestehen zwischen den Fundplätzen Kalkriese und dem Römerlager in Haltern am See?

Das Fundmaterial in Haltern und Kalkriese ähnelt sich. Wir sind ziemlich sicher, dass der römische Feldherr Varus während seiner Statthalterschaft ab 7 nach unserer Zeitrechnung seinen Verwaltungsaufgaben auch im römischen Hauptlager in Haltern nachging. Von hier aus dürfte er sich im #Sommer 9 nach unserer Zeitrechnung mit seinen Truppen auf den Weg Richtung #Weser gemacht haben. Kurze Zeit später geriet er dann im »saltus Teutoburgensis«, im #Teutoburger #Wald, in den germanischen Hinterhalt – das Ende für ihn und seine Truppen. 

Weiß man erst jetzt, dass Varus in Haltern war?

Nein, seine 19. Legion ist bereits vor knapp 60 Jahren in Haltern durch einen besonderen Fund nachgewiesen worden: 1964 hat man im sogenannten römischen Hauptlager einen 64 Kilogramm schweren Bleibarren entdeckt, der die Inschrift »LEG XIX«, 19. Legion, trug. Metallgegenstände, die in Haltern gefunden wurden, bilden eine Art Referenzgruppe: weisen Metallgegenstände von anderen Fundorten eine ganz ähnliche chemische Zusammensetzung auf wie diejenigen von Haltern, so kann das ein Hinweis auf Varustruppen an diesen Plätzen sein. So scheint es jetzt mit Kalkriese zu sein.

Das Metall wurde jetzt genau untersucht. Welche Möglichkeiten eröffnen die Untersuchungsmethoden des »metallurgischen Fingerabdrucks«?

Das vergleichbare Verfahren des »chemischen Fingerabdrucks« ist in der Archäologie bekannt und wird bereits seit Jahrzehnten für Keramik benutzt. Spezialanalysen wie die des Fingerabdrucks von Metall können bei der Datierung helfen – eine wichtige Ergänzung zu unseren dürftigen schriftlichen Zeugnissen. Die neuen Ergebnisse bestätigen also, dass Haltern und Kalkriese eng zusammenhängen.

Also ist jetzt für Expertinnen wie Sie alles klar?

Nicht unbedingt. Denn bisher gilt auch Dangstetten in Süddeutschland (Baden Württemberg) als Referenzort. Varus und und die 19. Legion waren auch dort, das wissen wir von entsprechenden schriftlichen Zeugnissen. Wenn aber der gleiche Fingerabdruck auch noch in anderen westfälischen Römerlagern wie Anreppen oder Oberaden gefunden würde, passt etwas nicht in unserem bisherigen Bild: Varus kann in diesen Lagern hier in Westfalen nicht zur selben Zeit gewesen sein wie in Haltern und Dangstetten Oder die zeitliche Abfolge war anders als bisher gedacht. Wann war Varus wo – leichte Frage, schwere Antworten. Das Detektivspiel ist also noch nicht zu Ende.

Was fehlt?

Weitere Untersuchungen in Haltern und in den anderen westfälischen Römerlagern. Spannend ist die Frage, wie sich die Metallobjekte aus den ältesten Römerlagern an der Lippe wie Oberaden, Beckinghausen und Olfen in die neuen Ergebnisse einfügen würden. Diese Römerlager existierten, nach bisherigem Wissensstand, gleichzeitig mit dem Legionslager Dangstetten, das in die Untersuchungen in Kalkriese einbezogen wurde.

Wenn die Geschichte ein wenig umgeschrieben werden müsste: Kalkriese als Ort der Varusschlacht würde selbst dann noch passen?

Nicht die #Geschichte an sich müsste umgeschrieben werden, sondern nur die Geschichte einiger Fundplätze. Was es schwierig macht: Sechs Jahre nach der Varusschlacht schickte der römische Kaiser eine Armee zur Vergeltung nach Germanien, und auch diese Armee hat Spuren hinterlassen. Solange wir leider aber die »smoking gun« für die Varusschlacht nicht gefunden haben, müssen wir deswegen die zeitlichen Abfolgen vor 2.000 Jahren so genau wie möglich rekonstruieren. 

Hintergrund

Ein #Forschungsprojekt verschiedener Institutionen und #Museen ermöglichte die chemische Untersuchung hunderter Buntmetallfunde aus Kalkriese, dem möglichen Ort der Varusschlacht vor 2.000 Jahren. Die Funde wurden mit Proben aus verschiedenen Römerlagern, darunter Haltern am See verglichen. Bei dieser Untersuchung des »metallurgischen Fingerabdrucks« analysieren die Fachleute kleinste Proben von Metallfunden aus römischer Zeit, um die genauen Bestandteile zu bestimmen. 

Die Ergebnisse aus Kalkriese betreffen die drei Jahrzehnte vor der Varusschlacht. Im Jahr 9 nach unserer Zeitrechnung fügten germanische Stämme der 17. Legion, 18. #Legion und 19. Legion und ihrem Feldherrn Varus eine entscheidende Niederlage zu. Diese Legionen waren zuvor an Rhein und Lippe stationiert. Der vollständige Untergang dieser drei Legionen in der Varusschlacht im Jahre 9 nach unserer Zeitrechnung bildete eine tiefgreifende Zäsur für die Region. 

Als Konsequenz ließ Kaiser Augustus später um 15 nach unserer Zeitrechnung 8 Legionen aus anderen Gegenden des römischen Reiches nach Nordwestdeutschland verlegen. Sie brachten auch Metallobjekte mit sich, die sich wohl chemisch von denen der 3 untergegangenen #Varus Legionen unterscheiden lassen.

»Buntmetalle wie Bronze und Messing können je nach Ursprung eine charakteristische Zusammensetzung der chemischen Spurenelemente aufweisen«, erklärt Prof. Dr. Michael M. Rind, Direktor der LWL Archäologie für Westfalen. »So ein metallurgischer Fingerabdruck birgt großes Potential für die #Forschung und kann deshalb den Gang neuer Forschungswege unterstützen«, so der LWL Chefarchäologe.

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