Rubrik Kultur auf dem Dreiecksplatz
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Die Teilnehmerinnen des Workshops konnten während der 2 Tage ihre eigenen Kleidungsstücke wiederbeleben. Foto: Patrick Pollmeier, FH Bielefeld, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
FH Bielefeld, Upcycling Workshop von 2 FH Modedesignerinnen, Fast Fashion, nein danke!
Bielefeld, 3. Oktober 2022
Faraaz Sedaghati und Jutta Meisen beschäftigen sich schon lange mit den Themen Upcycling und #Nachhaltigkeit. Handarbeit ist ihnen dabei besonders wichtig. Mehrere Techniken stellten die beiden Modedesignerinnen mit Bezug zur Fachhochschule (FH) Bielefeld im Rahmen eines Upcycling und Repair Workshop nun vor. Darunter waren Reparaturtechniken wie das Visible Mending (bewusst sichtbares Flicken) und Ideen, wie ein Kleidungsstück dem eigenen Geschmack angepasst werden kann oder Mängel bei der Passform oder Silhouette auszubessern sind. Sedaghati und Meisen sprechen in diesem Zusammenhang von »Re #Design«.
Nähen und Sticken sollten wieder zum Grundwissen gehören
Die kleine Gruppe aus 6 Teilnehmerinnen stellte eine passende Größe dar, um alle Projekte intensiv betreuen zu können. Das war vor allem deswegen notwendig, da Vorkenntnisse keine Voraussetzung für die Teilnahme waren. »Wir wollen Wissen vermitteln, gerade an die Menschen, die bisher noch nicht die Möglichkeit hatten, sich mit Handarbeiten, wie Nähen und Sticken auseinanderzusetzen«, so Faraaz Sedaghati. »Unser Ziel ist es, diese Fähigkeiten wieder zu einem Grundwissen in der Gesellschaft werden zu lassen.«
Der erste Workshoptag startete für die 5 Teilnehmer mit einer Einleitung über die Hintergründe der Fast #Fashion und der Textilrecyclingbranche. Jutta Meisen referierte nicht nur die traurigen Zahlen und Fakten des schädlichen Fast Fashion Systems, Ausdruck einer Wegwerfgesellschaft, der die Ressourcen des Planeten gleichgültig sind. Sie thematisierte auch die Möglichkeiten, etwas zu ändern und stellte zum Beispiel die Visionen der #NGO »Cradle to Cradle« vor, die sich unter anderem für eine Kreislaufwirtschaft in der Textilbranche einsetzt. Außerdem erklärte sie, worauf zu achten ist, wenn man Fast Fashion vermeiden und seinen Modekonsum reduzieren möchte. Der Theorieteil des Workshops endete mit einer Reihe Inspirationsbilder, anhand derer die beiden Workshopleiterinnen einige der zuvor erwähnten Upcycling Techniken erklärten, bevor es mit dem praktischen Teil weiterging. »Wir empfehlen immer, erst einmal mit einer Skizze oder ein Paar Notizen zu starten, denn normalerweise hat man beim Re-design eines geliebten Kleidungsstücks nur einen Versuch«, weiß Jutta Meisen.
Blick in den eigenen Kleiderschrank: Wie sieht dein »Closet Mass Index« aus?
Nach ein paar Stunden geselliger Handarbeit endete der erste Tag mit einer kleinen Hausaufgabe: Zuhause sollten die Teilnehmenden ihren Kleiderschrank durchgehen und den sogenannten »Closet Mass Index« berechnen. Dies ist eine Übung, um ein besseres Bewusstsein dafür zu schaffen, was man an Kleidungsstücken besitzt, wie oft man diese trägt, welchen Anteil man so gut wie nie anzieht, wie viel »neu« gekauft und welcher Anteil »second hand« ist. Der CMI ist dafür gedacht, zu reflektieren und neu zu entdecken, was man besitzt und – dem Wunsch vorzubeugen, immer wieder Neues anzuschaffen.
Am 2. Workshoptag waren alle Teilnehmerinnen mit ihren Projekten in vollem Gange: Die 16 jährige May fertigte einen asymmetrischen Rock aus einem alten Spitzentop. Teilnehmerin Anja designte ihr Lieblingstop um, das in der Achselgegend löchrig geworden war. Nun besitzt es eine ganz neue Ärmelform. »Draußen bei so schönem Wetter kreativ zu sein, war etwas ganz Besonderes«, berichtet die Teilnehmerin. »Ich fand es besonders gut, dass Fari und Jutta sehr aufmerksam waren und bei Problemen immer sofort zur Stelle waren. Beide hatten handwerklich und kreativ viele Anregungen parat«, so das Feedback von Teilnehmerin Anette. Sie hatte ein blaues Sweatshirt mitgebracht, das ihr zu kurz war. »Ich habe unten einen Weißen Streifen drangesetzt. Jetzt ist es lang genug. Und die weiße Verzierung am Kragen wurde so im Saum noch einmal aufgegriffen.«
Existierende #Kleidung könnte #Menschheit für Jahrzehnte einkleiden
Resümee Jutta Meisen: »Upcycling ist deswegen so wichtig, weil jedes Teil, das ganz neu gefertigt wird, in unserer jetzigen Situation ein Teil zu viel ist. Auf unserem Planeten gibt es so viele Kleidungsstücke, dass wir damit die gesamte Menschscheit Jahrzehnte lang einkleiden könnten, ohne dass ein einziges Teil neu produziert werden müsste. Das Problem mit dieser Kleidung ist aber, dass sie keinen Wert mehr hat. Dafür haben die Fast-Fashion-Industrie und die Konsumgesellschaft gesorgt. Was heute produziert wird, hat ein sehr kurzes Leben. Was wir wollen ist Kleidung mit Wert und einer langen Lebensdauer. Idealerweise sollte Kleidung mehrfach den Nutzungszyklus durchlaufen, bevor sie recycelt wird. Upcycling ist ein idealer Weg, um Kleidungsstücke ein zweites oder drittes Mal wiederzubeleben.«
Faraaz Sedaghati ergänzt: »Die Workshoptage waren ein tolles Erlebnis für uns, vor allem wegen der schönen Arbeitsatmosphäre. Die Arbeit im freien, bei diesem guten Wetter, hat allen sehr gefallen und sorgte für einen Perspektivwechsel beim Nähen und Kreieren. Ich bin außerdem sehr glücklich mit den Ergebnissen. Ich denke, wir konnten jeder Teilnehmerin etwas Neues beibringen oder zumindest neue Inspirationen bieten. Ich hoffe, wir konnten einen (noch) bewussteren Umgang der Teilnehmerinnen mit ihren Textilien fördern.
»nou.niss«, eigenes Bielefelder Upcycling Modelabel in Gründung
Die beiden Designerinnen gründen zurzeit ihr eigenes Upcycling #Modelabel in Bielefeld, das den Namen »nou.niss« trägt. nou.niss ist Persisch, Sedaghatis Muttersprache, und bedeutet »es ist nicht neu«. Dieser Name ist der Inbegriff ihrer Mode. Statt neue Materialien, verwenden die Designerinnen für ihre Kreationen ausschließlich von Recyclingbetrieben aussortierte, zumeist beschädigte Ware, die anderenfalls im Müll gelandet wäre. Diese Ware hat trotz allem eine hohe Qualität, denn es werden größtenteils Wollstrickpullover, oft sogar aus Merinowolle oder Angorawolle, verwendet. Aussortiert werden müssen diese Pullis oft, aufgrund von Mottenlöchern oder weil sie eingelaufen sind. Diese Mängel stellt für nou.niss die Grundlage des Designs dar. Ist der Pullover von Motten zerfressen, aber sonst von guter #Qualität, wird er liebevoll mit Visible Mending verziert. Hat er Löcher und ist aus der Form geraten, entstehen aus ihm bunte, gemütliche #Patchwork #Pullover. Stark verfilzte, eingelaufene Pullis sind das Grundmaterial für hochwertige Wollmäntel und Jacken.
Gegründet haben Jutta Meisen und Faraaz Sedaghati »nou.niss«, weil Meisen ihre Bachelorarbeit im Modedesign an der FH Bielefeld bereits zum Thema Upcycling und #Reparatur gestaltet hat. Bei der Zusammenarbeit mit der #Recycling #Börse #Herford, bei der sie einen Einblick hinter die Kulissen der Textilsortierung bekommen hat, ist ihr dann die schiere Menge und das große Potenzial der aussortierten Ware aufgefallen.
Sedaghati, die noch Mode an der FH Bielefeld studiert und ein abgeschlossenes Studium im Bereich Kunsthandwerk vorweisen kann, ist begeistert in das Projekt eingestiegen. Vor allem die Liebe zum #Handwerk bringt die beiden Designerinnen zusammen, aber auch der Wunsch danach, eine Veränderung in der Textilwirtschaft zu bewirken.
Ziel des gemeinsamen Labels ist es, die mit Liebe upgecycleten Unikate zu vertreiben, um auf diese Weise viel Wolle vor der Vernichtung zu bewahren. Ein anderes Ziel ist das Wissen über das Wichtige Thema Upcycling an die Menschen zu bringen. Dies ist der Grund, warum sie auch in Zukunft weiterhin Workshops anbieten möchten.