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Urbanität

Vor mehr als zwei Jahren haben wir einen Artikel veröffentlicht, der heute aktueller denn je ist – leider. Aber lesen Sie selbst ...

In Städten wie Oberhausen wurde das Problem längst erkannt: Durch die innerstädtische Verkehrsberuhigung, die seit den 80er Jahren seuchenhaft um sich greift, stehen innerstädtische Lagen inzwischen vor dem Aussterben. Kaufkräftige Kundschaft bleibt aus, die Urbanität geht verloren. Oberhausen plant die Konzentration des Einzelhandels in einer Lage und den gleichzeitigen Rückbau von Fußgängerzonen.

Das Oberhausener Konzept ist unsinnig, weil es die Urbanität – ein Hauptgesichtspunkt der Attraktivität einer Innenstadt – nicht wiederherstellt. Aber immerhin stellt man sich dem Problem, während andernorts versucht wird, die Attraktivität durch sogenanntes »Stadtmarketing« und Massenfestivitäten zu steigern. Konzepte, die ihr Ziel offensichtlich nicht erreichen – »Stadtmarketing« funktioniert automatisch, wenn die betreffende Stadt attraktiv ist. Konzeptionell fragwürdige Festivitäten bieten keine Nachhaltigkeit. So wird in Gütsel seit Jahren viel Geld der Steuerzahler für eine Stadtmarketing GmbH ausgegeben, ohne daß greifbare Ergebnisse vorlägen – im Gegenteil ist nun schon der vierte Geschäftsführer im Amt und das teuer bezahlte neue »Konzept« hat nichts Neues zu bieten. Es werden lediglich einige Aktivitäten umverlagert, so wird beispielsweise in Zukunft nicht mehr die Werbegemeinschaft die beiden großen Stadtfeste veranstalten, sondern die Stadtmarketing GmbH – als würde ein Betriebsfest eines Unternehmens dessen Umsatz steigern. Einzige »Idee«: Ein Gütsler Geschenkgutschein, den guetsel.de schon vor Jahren mit rund 40 Geschäften umgesetzt hatte. Das Konzept funktioniert allerdings nicht, da niemand Interesse daran hat, einen Gutschein zu verkaufen, der dann nicht bei ihm eingelöst wird – womöglich sogar überwiegend beim Media-Markt, den man von der Teilnahme wohl schwerlich ausschließen könnte.

Gefragt sind Konzepte, die die Innenstadt für Einzelhandelskunden wieder attraktiv machen. Ein großer Teil der Gütsler, die in den Fußgängerzonen unterwegs sind, arbeitet in der Innenstadt und verbringt lediglich die Pausen dort – Punkt 19 Uhr sind die kurortähnlichen Fußgängerzonen dann wie ausgestorben. Basis eines tragfähigen Konzepts kann nur eine Wiederherstellung der Urbanität sein, da diese eine Innenstadt überhaupt erst definiert. Dann könnten sich wieder mehr hochkarätige inhabergeführte Einzelhändler ansiedeln, die auch über Gütsels Grenzen hinaus für Zulauf sorgen – eine Innenstadt von der Stange lockt jedenfalls niemanden, oft noch nicht einmal die Gütsler selbst, die bekanntermaßen zu den gerngesehenen Gästen der Bielefelder Gastronomie zählen: Die Beliebigkeit und Austauschbarkeit der Innenstadt wird kultiviert. Darüberhinaus spielt die verkehrstechnische Stillegung der Innenstädte den Discountern auf der grünen Wiese, die problemlos zu erreichen sind und Parkplätze bieten, in die Karten. Umfragen haben gezeigt, daß es in Gütersloh praktisch nichts mehr gibt, was beispielsweise Bielefelder in die Dalkestadt locken würde – für einen Besuch beim Weinhändler, dem hochklassigen Optiker oder dem italienischen Feinkostgeschäft allein nimmt niemand den weiten Weg auf sich. Schlimm genug, daß einst prosperierende Lagen mittlerweile im Aussterben begriffen sind – Beispiele sind die Münsterstraße, die Hohenzollernstraße, die Spiekergasse oder die Blessenstätte und die zahlreichen Ansiedlungen von Bordellen und Wettbüros in innerstädtischen Lagen.

Nicht weniger unverständlich ist der Umstand, daß das Parken im Parkhaus zum Beispiel für Cinestar-Besucher sinnlos ist – noch vor Ende der Spätvorstellung schließt die Tiefgarage ihre Pforten, ganz zu schweigen vom anschließenden Kneipenbesuch. Rundherum ist das legale Parken über mehrere Stunden ebenso unmöglich. Einen weiteren Ansatz zur Kritik bietet die Inkonsequenz der Verkehrsberuhigung – in jeder entsprechenden Lage sind ständig Fahrräder, Transporter, Autos und Busse unterwegs, die selbst in der Fußgängerzone nicht im Traum daran denken, sich an die Schrittgeschwindigkeit zu halten.

Masterplan – Gütersloher Banane

Die Gütsler Stadtplanung handelt derzeit weitestgehend nach dem »Masterplan Innenstadt Gütersloh«, der 2002 von den Münsteraner (!) Architekten Dejozé und Dr. Ammann erstellt wurde. Ein Beleg dafür, daß Politik und Verwaltung immer weniger selbst machen, und lieber teures, angeblich nicht vorhandenes Geld für Masterpläne, Machbarkeitsstudien oder Hochglanzbroschüren, die wie beispielsweise beim Thema »alter Güterbahnhof« nie umgesetzt werden, an Dritte zahlen.

Der Masterplan ist weitgehend abwegig, teilweise sogar lächerlich. So ist beispielsweise die Rede von »Brunnenspielen« an den »Pättken« zur Kökerstraße in Richtung Kirchplatz; auch erscheint die Behauptung, der Dreiecksplatz und der Theodor-Heuss-Platz (Stadthallenvorplatz) wirkten aktuell zusammenhängend, mehr als unsinnig – ebenso wie die vermeintliche Notwendigkeit, den Grünraum rund um das Amtsgericht »erlebbar« zu machen oder die Fuhrmannsgasse zum Berliner Platz hin zuzumauern (»mit einer Mauer abzutrennen«). Notwendigerweise können nur Bewohner einer Stadt überhaupt beurteilen, wo deren Stärken und Schwächen liegen.

Gelungene Bereiche wie die Kreuzung vor der Stadtbibliothek werden als »nicht erfahrbar« (?) und ungenügend bezeichnet; ausgerechnet der Dreiecksplatz soll mit einer Brunnenanlage ausgestattet werden, während der dröge Berliner Platz dringend eine Überarbeitung nötig hätte. Auch verschließt sich jeglicher Sinn der nicht nachvollziehbaren »Gütersloher Acht« – immerhin klingt der Begriff weniger amüsant, als die im Gutachten wörtlich so beschriebene »Gütersloher Banane« zwischen Markt und Theodor-Heuss-Platz – ebenso ließe sich anhand eines Stadtplans auch ein »Gütersloher Mops« definieren. Von einer Rückkehr zur Urbanität ist jedenfalls im »Masterplan« nicht die Rede – sie sei allenthalben vorhanden, so die Münsteraner.
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