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Anwalt: »Die Pflichtteilsklage von Carl Clemens Veltins ist alles andere als ein Selbstläufer«
Köln (Marienburg), 16. April 2024
Der #Erbstreit zwischen den 3 Kindern der #Veltins #Brauerei 30 Jahre nach dem Tod der Mutter ist Gegenstand zahlreicher Artikel in den Medien. Die Pflichtteilsklage von Carl Clemens Veltins gegen die beiden Geschwister überrascht auf den ersten Blick. Denn Veltins hatte an seinem 18. Geburtstag auf Veranlassung seiner Mutter vor einem #Notar einen Erbverzicht unterschrieben. Doch wie schätzen Erbrechtsexperten die Erfolgschancen einer Klage von Carl Clemens Veltins ein? Der auf #Pflichtteilsrecht spezialisierte #Rechtsanwalt Dr. Sven Gelbke ist Geschäftsführer des Erbrechtsportals »Die Erbschützer«. Dorthin wenden sich übergangene Erben, die wenigstens noch den Pflichtteil sichern wollen. »Die Erbschützer« übernehmen dann die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs und erhalten nur im Erfolgsfall ein prozentuales #Honorar.
Ist der notarielle Erbverzicht pünktlich zum 18. Geburtstag von Carl Clemens Veltins tatsächlich sittenwidrig oder müssen die 3, 4 Millionen Euro, mit denen die Mutter ihrem Sohn im Laufe der Jahre aus der Patsche geholfen hat, angerechnet werden?
Dr. Sven Gelbke: Ob der Erbverzicht sittenwidrig ist, hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere vom konkreten Inhalt des Verzichts. Wurde beispielsweise eine Gegenleistung vereinbart? Aber selbst bei entsprechenden Indizien bleibt die Frage der Sittenwidrigkeit in diesem Zusammenhang umstritten. Die Klage von Carl Clemens Veltins auf den Pflichtteil ist also kein Selbstläufer, zumal die Vorgänge viele Jahre zurückliegen und Carl Clemens alle anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen muss.
Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag kann zum Beispiel sittenwidrig sein, wenn das fehlende Verständnis oder Wissen oder die Unerfahrenheit des Verzichtenden bewusst ausgenutzt werden oder sich eine objektive Unausgewogenheit aus der mit ihm zusammenhängenden Gegenleistung ergibt.
Die Zuwendungen in Höhe von 3, 4 Millionen, hätten unter einer Anrechnungsbestimmung zu Lebzeiten der Erblasserin erfolgt sein müssen. Dabei muss vor oder zum Zeitpunkt der Zuwendung bestimmt werden, dass diese auf den Pflichtteil anzurechnen ist. Liegt eine solche Bestimmung nicht vor, können die Vorempfänge gegebenenfalls nur im Rahmen der Ausgleichspflicht zwischen Abkömmlingen gemäß Paragraph 2316 BGB oder als Eigengeschenke im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs Berücksichtigung finden.
Wie haben die Gerichte in ähnlichen Fällen entschieden?
Das Oberlandesgericht Hamm hat 2016 festgestellt, dass ein Vater »die jugendliche Unerfahrenheit und Beeinflussbarkeit seines Sohnes zu seinem Vorteil« ausgenutzt habe. In dem Fall war der Erbverzicht zwei Tage nach dem 18. Geburtstag vor einem Notar abgegeben worden. Der Vater habe bewusst den Eintritt der Volljährigkeit abgewartet, da ein Familiengericht den Erbverzicht nie genehmigt hätte. Auch sei der Sohn inhaltlich nicht in die Vorbereitung des Beurkundungstermins mit einbezogen worden.
Und der Bundesfinanzhof entschied 2021, dass bei einem groben Missverhältnis zwischen dem Wert des Pflichtteils und der Gegenleistung ein wucherähnliches Rechtsgeschäft vorliegen kann.
Was heißt das bezogen auf den konkreten Fall?
Im Veltins Erbstreit könnte das damalige Alter von Carl Clemens eine Rolle spielen, sowie die mögliche #Vernebelungstaktik seiner Mutter, dass alles nur »pro forma« sei. Auch die hohe Diskrepanz zwischen der Pflichtteilshöhe und den hier ausgezahlten Zuwendungen dürfte die Sittenwidrigkeit stützen. Zur konkreten Beurteilung ist es natürlich erforderlich, den gesamten Vertrag zum Pflichtteilsverzicht zu sichten. So wäre bei darin genannten Gegenleistungen eine Berechnung des Verhältnisses zum Gesamtvermögen aus damaliger Sicht relevant.
Was wurde im vorliegenden Fall aus unternehmerischer Sicht versäumt?
In den Gesellschaftsverträgen ist die Rechtsnachfolge stets aufzunehmen. Denn das Gesellschaftsrecht geht dem Erbrecht vor. Steht etwa im Gesellschaftsvertrag drin, dass der Sohn nur dann Nachfolger im Betrieb wird, wenn er das BWL Studium erfolgreich absolviert hat, hilft es ihm wenig, wenn er laut Testament alles erbt. Solange er das Studium nicht abgeschlossen hat, hat er im Unternehmen nichts zu sagen.
Hätte man Carl Clemens komplett vom Erbe ausschließen wollen, dann wäre es wichtig gewesen, einen rechtssicheren Pflichtteilsverzicht sicherzustellen oder ggf. hier auch aufgrund der Straftaten und sonstigen Verfehlungen einen Pflichtteilsentzug im Testament festzuhalten.
Wieviel hätte an Carl Clemens gezahlt werden müssen, damit der Erbverzichtsvertrag unangreifbar gewesen wäre?
Es ist immer gut, fair zu sein. Je genauer und ausführlicher man den Pflichtteilsverzicht gestaltet, umso größer sind die Chancen der Wirksamkeit. Auch sollten nach Möglichkeit die Gründe der vorherigen Zahlung möglichst genau aufgeführt werden. Eine genaue Bezifferung dürfte schwer möglich sein. Ein »prozentualer Abschlag« vom Gesamtvermögen wäre sicherlich ratsam, ebenso sollte explizit darauf hingewiesen werden, dass die frühe #Zahlung natürlich auch insoweit verminderter sein darf, weil beispielsweise ein Anfang Zwanzigjähriger dafür nicht noch weitere vierzig Jahre auf sein Erbe warten muss. Es kommt jedoch auf die genauen Umstände des Einzelfalls an und würde aktuell sicherlich von Gericht zu Gericht unterschiedlich beurteilt. Die Faktoren Alter beider Beteiligten, aktuelles Gesamtvermögen des Erblassers in spe, zu erwartende Unternehmensentwicklungen, Initiator der Regelung sowie Erfahrungen mit Rechtsgeschäften des Erben in spe dürften alle mit in die Gesamtabwägung einfließen.
Könnte Carl Clemens heute auch den Notar noch wegen Amtshaftung auf Schadensersatz verklagen?
Der Notar muss eine Pflichtverletzung begangen haben. Bei einer Pflichtverletzung durch einen Notar steht oft der Vorwurf im Raum, der Notar sei seiner Belehrungspflicht gegenüber einem Beteiligten nicht nachgekommen. Liegt eine Amtspflichtverletzung des Notars vor, dann ist ein Haftungsanspruch nur gegeben, wenn der Notar schuldhaft, das heißt fahrlässig oder vorsätzlich, gehandelt hat. Hier ergibt sich die Schwierigkeit, dass Carl Clemens die Pflichtverletzung nachweisen müsste. Insbesondere im Hinblick darauf, dass alles schon so lange her ist, wäre die Beweisführung sehr schwierig. Der Umfang notarieller Aufklärungspflichten ist seit Jahren defizitär geregelt und in der Praxis nicht selten auf das Vorlesen des entsprechenden Passus der Urkunde beschränkt.
Wie stehen die Chancen, das zweite Testament der Mutter anzufechten?
Testamentsanfechtungen sind schwierig. Solange die formalen Voraussetzungen eingehalten wurden, liegt es beim Anfechtenden, seine Anfechtungsgründe darzulegen und zu beweisen. Insbesondere wenn man sich auf geistige Beeinträchtigung des Erblassers beruft, stellt sich dies oft als kompliziert dar. Hier dürften umfangreiche Gutachten behandelnder Ärzte etc. notwendig werden.
Sind die Straftaten und insbesondere der Diebstahl der Waffen bei der Mutter, der zweijährige Gefängnisaufenthalt wegen Drogendeals ausreichend, den Sohn zu enterben und ihm sogar den Pflichtteil zu entziehen?
Um bestimmte Personen wirksam vom Pflichtteil auszuschließen, muss der Pflichtteilsentzug gem. § 2336 BGB in einem gültigen Testament oder Erbvertrag aufgeführt werden. Dies scheint hier nicht der Fall zu sein. Und die gesetzlichen Pflichtteilsentziehungsgründe wie Tötungsversuch des Erblassers sind ebenfalls nicht gegeben.
Kann es sein, dass einzelne Ansprüche von Carl Clemens Veltins verjährt sind?
Die regelmäßige Verjährungsfrist des Pflichtteilsanspruchs beträgt drei Jahre ab Kenntnis vom Erbfall sowie den Umständen der Enterbung. Davon gibt es Ausnahmen. Zum Beispiel gilt eine 30 jährige Verjährungsfrist beim Herausgabeanspruch des wirklichen Erben gegen den Erbschaftsbesitzer. Als Erbschaftsbesitzer gilt jene Person, die aufgrund eines Erbrechts, das ihr tatsächlich nicht zusteht, etwas aus der Erbschaft erlangt hat. Dies könnte hier bei einem angefochtenen Testament der Fall sein, aufgrund dessen sich erst jetzt die unrechtmäßige Inbesitznahme der anderen Erbinnen ergäbe. Auch kann sich eine auf bis zu 30 Jahre nach dem Erbfall verlängerte Frist zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ergeben, sofern sich beispielsweise berechtigte Irrtümer in Bezug auf die Erb oder Pflichtteilsberechtigung ergeben. Es bleibt eine Frage des konkreten Einzelfalls, die sich ohne Blick auf die Klageschrift nur schwer beantworten lässt.
Die Schwestern müssen jetzt wohl oder übel ein Nachlassverzeichnis erstellen lassen. Was ist da aus unternehmerischer Sicht zu beachten?
Der Nachlasswert zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin ist maßgeblich. Das Nachlassverzeichnis sollte eine detaillierte Auflistung des gesamten Vermögens enthalten, einschließlich des Wertes des Unternehmens. Die Bewertung von Unternehmen gestaltet sich in der Regel gerade als sehr herausfordernd, da die Bewertungskriterien im Allgemeinen sehr einzelfallbezogen sind. Auch hier dürfte die Bewertung eines Unternehmens vor dreißig Jahren eine sehr komplexe Angelegenheit darstellen.
Ist der missratene Unternehmersohn ein Ausnahmefall oder kommt das in reichen Familien häufiger vor?
Ja, dies kommt häufiger vor. An uns haben sich schon mehrfach Menschen aus wohlhabenderen Familien gewandt, die gegen einen unterzeichneten Pflichtteilsverzicht vorgehen wollten.
»JustSolutions« GmbH, Bonner Straße 484 bis 486, 50968 Köln (Marienburg), mehr …