Rubrik Kultur auf dem Dreiecksplatz
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Jugendliche in Gütersloh – wohin des Weges? Punk’s dead, Teenage Wasteland, Quadrophenia & Co.
Gütersloh, 24. Juni 2023
Man sucht einen Treffpunkt für Jugendliche, man will sogar Angebote für Jugendliche schaffen. Das will man seit Menschengedenken. Schon immer war früher alles besser, die Jugend verkommen, aufsässig, respektlos, unerwünscht – das ist nun einmal ihr Job. Wir haben mit »Angeboten« für Jugendliche gewisse Erfahrungen – aber keine guten. Jedenfalls im Nachhinein betrachtet.
So läuft das jedenfalls nicht. Angebote suchen sie sich schon selbst – auch mehrere. Es muss Möglichkeiten geben, und nicht keine.
Aber es wird sicherlich nicht funktionieren, wenn man den Jugendlichen sagt: »So. Hier habt Ihr euren Treffpunkt. Trefft Euch! Hier! Jetzt!« …
Jugendliche sind keine Sondermenschen, die sich nur an Spezialorten aufhalten dürfen. An das Thema müsste man wohl ganz anders rangehen. Auf keinen Fall dirigistisch. Besser wohl, indem man eben nicht an das Thema »rangeht«. Man kann die Jugendlichen auch nicht fragen und sie sich selbst etwas ausdenken lassen – dann macht man sie zu Dirigisten und sie werden selbst zu Dirigisten. So läuft es nicht. Es braucht endlich wieder eine Kultur des Miteinanders, der Akzeptanz. Das wurde (absichtlich?) abgeschafft.
Die Hoch Zeit dessen waren offenbar die 80er. In der Zeit gehörten alle fast überall dazu und haben sich aber auch relativ vernünftig verhalten. Wir Kinder der 80er wurden sogar in der #Gastronomie akzeptiert, nicht nur geduldet … auch wenn wir uns beispielsweise in Gruppen während »Blaustunden« stundenlang an einer #Tasse #Kaffee festgehalten haben – oder abends in Kneipen an einem #Bier – und aus Geldmangel praktisch nie etwas gegessen haben. Heute ist so etwas undenkbar. Man würde zeitnah rausfliegen. Daran sollte gearbeitet werden – sich diesem Zustand wieder zu nähern. Aber da müssten alle mitmachen und auch alle mitmachen dürfen und können.
Auch wenn es altersmäßig nicht ganz passt – aber in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts gab es sogenannte »Langhaarige Bombenleger«, die »herumlungerten«. Die Beatmusik wurde erfunden. In der »Quadrophenia« bekämpften sich im Arbeiterland »Mods« und »Rocker«. »Tommy« wurde zum Flipperkönig und scheiterte am Kapitalismus, was aber typisch englisch war.
In den 80ern kamen in Deutschland verschiedenste Jugendgruppen auf, die heute praktisch vollkommen verschwunden sind – es gab »Popper«, »Waver«, »Ökos«, »Metaller«, »Skinheads«, »Punks« … anderswo »Goths«, »Grufties« … es kamen die »Cosplayer«, »Mangafans« et cetera … Jugendliche wollen offenbar gleichzeitig irgendwo »dazugehören«, aber nirgendwo »dazugehören«, jedenfalls nicht »dazu«. Und es gab natürlich auch immer viele »Normale« und viele, die unterm Radar blieben, und von denen man deshalb nicht allzu viel weiß.
Im Rahmen der Medientheorie wurde zu Recht das »Verschwinden der Kindheit« beklagt. Vor allem unter dem Aspekt, dass das grundlegende Medium unserer Kultur das gedruckte Wort ist. Lesen muss man lernen, bis man es dann kann. Fernsehen muss man nicht lernen, das kann jeder. Und fürs Übermedium »Internet« muss man im Grunde genommen auch nicht großartig lesen und schreiben können. Nur ein wenig rumklicken. Wenn nun die sogenannte »KI« im Kommen ist, übernimmt sie vermeintlich vieles, sogar das Denken, für alle. Was aber dann ein wenig an Kishons #Kartoffelgeschichte erinnert, in der eine grandiose Maschine erfunden wird, die den Acker bestellt, die #Kartoffeln legt, hegt, pflegt, bewässert, erntet, schält, schmackhaft zubereitet und dann selbst aufisst. Die Kunst hat sich offenbar ebenfalls schon immer mit diesem Thema beschäftigt. »Kinder an die Macht« war ein naives Lied. Jugendliche neigen zum Idealismus – sie wissen zwar (noch?) nicht, in welcher Sache, aber dennoch. Heute hat sich das teils bis hin zur Klugscheißerei entwickelt, die auch noch angeblich ernstgenommen wird. Das sollte (beides) nicht so sein. Im Kern geht es wohl immer um Freiheit. Und da schließt sich der Kreis – es muss Möglichkeiten geben, aber eben keine »gewollten«, sondern selbstverständliche, eben Freiheit.
Was dazu passt, was kürzlich in Gütersloh passierte – dass Jugendlichen, die sich auf einem Spielplatz aufhielten, ein Ordnungsgeld aufgedrückt wurde. In Deutschland war die freieste Zeit wohl in den 80ern. Denn damals musste man auch als Jugendlicher keine Angst haben. Denn die beste Definition von Freiheit ist wohl die von Nina Simone: »Freiheit bedeutet für mich, keine Angst zu haben«.
Und darüber sollte man nachdenken. Denn natürlich ist eine Diktatur oder eine Monarchie keine Freiheit. Eine Absolute Demokratie ist derweil noch viel schlimmer und noch viel weniger Freiheit, wie Seth MacFarlane dargelegt hat. Eine Absolute Demokratie ist wenn man so will ein absoluter Faschismus aus sich heraus. Alle müssen darin immer Angst haben (sind also nicht frei) – und zwar davor, dass sich die Mehrheit gegen sie wendet – das kennt man beispielsweise als »Mobbing«. Bei MacFarlane gibt es eine Absolute Demokratie, die auf »Social Media« basiert – alle können zu allem »Abstimmen« (in Form von »Likes« und »Dislikes«) und am Ende kooperiert man nur noch, wenn man Einzelne fertigmachen kann – eben mobbt. Und der neutrale Isaac bringt es auf den Punkt: »Ihr verwechselt ›Meinung‹ mit ›Tatsachen‹«. »Woher wisst Ihr, was richtig ist? Was Ihr essen sollt? Was das Beste ist?« … »Das weiß die Mehrheit! Jeder muss doch eine Stimme haben! Wir stimmen ab! Dann wissen wir, was die Mehrheit will! Und das ist das Richtige!« … »Wir wissen auch, was der Pöbel will!« … so etwas wurde schon oft und seit langem gedacht, schon in der Antike, aber beispielsweise auch schon von Goethe: »Das mächtigste Hirngespinst ist die öffentliche Meinung: Niemand weiß genau, wer sie macht, niemand hat sie je persönlich kennengelernt, aber alle lassen sich von ihr tyrannisieren«.
Am Rande bemerkt sind die sogenannten »Social Media« überhaupt nicht frei – schon gar nicht so frei, wie sie behaupten zu sein. Nicht umsonst gibt es Sprüche wie »Wer noch nie bei Facebook gesperrt wurde, hat etwas falschgemacht« … die »Social Media« sind extremst manipuliert, manipulativ, autoritär, diktatorisch und gaukeln lediglich Freiheit vor. Wobei diese Unfreiheit zum einen von den »Machern« realisiert wird, zum anderen von den #Usern selbst (dem »Pöbel«, siehe oben). Dazu sollte man sich auch mit Gustave Le Bon beschäftigen, der die »Psychologie der Massen« untersucht hat. Allerdings muss man festhalten, dass Le Bon mit »Masse« die »Psychologische Masse« gemeint hat, und dass auch schon 2 Personen eine »Psychologische Masse« darstellen können. In diesem Gebiet ist noch viel Forschung und Denken nötig, was auch namhafte Psychologen festgestellt haben. Es dreht sich letztlich ums Ego und »Nos« (das Gruppenego), um Ingroup und Outgroup, um die Funktionsweise des Bewusstseins (eben das »Ego«). Descartes berühmtes Diktum ist Unsinn (»Ich denke, also bin ich«) – man ist auch, wenn man nicht denkt. Sinnvollerweise müsste es nicht »cogito ergo sum« heißen, sondern »cogito ergo est«. »Ich denke, also ist (das) Ich«. Damit kann man etwas anfangen.
Und zu guter Letzt La Rochefoucauld: »Die Mittelmäßigkeit pflegt alles zu verurteilen, was ihren Horizont übersteigt«. Und der Durchschnitt ist eben »mittelmäßig«, deshalb ist es eben der Durchschnitt. Die »10 80 10 Regel« wurde bewiesen, dass die Intelligenz einer »Gaußschen Normalverteilung« (»Glockenkurve«) unterliegt, ebenso. Was aber der Quotient 100 zu bedeuten hat, ist damit allerdings nicht gesagt (da es keine Bezugsgröße gibt) – offenbar aber erschreckend wenig. Sehr erschreckend wenig sogar. Das ganze ist ein unerschöpfliches Feld, zu dem auch Begriffe wie »Reaktanz« gehören … und die »Fs« – aber nicht die angeblichen, klassischen 2 (»Fight or Flight«), sondern 3 (»Fight or Flight or Freeze«). Sätze wie »Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt« sind – wie so oft bei Kant – logische Zirkelschlüsse. Denn was in diesem Satz gesagt wird, lässt sich auch umdrehen und besagt somit letztlich überhaupt nichts. Denn wo beginnt die des »Anderen« denn nun? Und deshalb ist Nina Simones Definition die beste aller Zeiten, wahrscheinlich gibt es keine bessere. Schopenhauer hatte angeboten »Freiheit ist, das tun zu können, was man will«. Das ist allerdings keine Definition von Freiheit, sondern impliziert die Feststellung, dass es absolute Freiheit niemals geben kann und niemals geben darf. Matthias Claudius meinte »Die Freiheit besteht darin, dass man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet«. Aber was jemand als »Schaden« empfindet ist wiederum oft sehr subjektiv. Ebenso ist Kants »Kategorischer Imperativ« banal und ein Logischer Zirkelschluss, mithin Nonsens. In Wahrheit unterliegen wir im Sinne von Ken Wilbers »Holarchismus« so etwas wie einem »Imperativ der Kategorie«, des »Holons«. Dabei muss aber das Anhängsel »archie« nicht nur vertikal, sondern auch horizontal interpretiert werden. Oder ein neuer Begriff erfunden werden. Hier käme dann wohl Nietzsche ins Spiel. Sein (absichtlich?) missverstandener »Übermensch«. Und auch die Grundidee des Buddhismus (letztlich das gleiche in Grün).
tbc