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Foto: Camila Quintero Franco, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

Bipolare Störungen sind trotz ihrer weiten Verbreitung häufig noch ein Tabuthema

Bipolare Störungen sind trotz ihrer weiten Verbreitung häufig noch ein Tabuthema, Selbsthilfeinitiative ermutigt zur Inanspruchnahme vielfältiger Therapiemöglichkeiten

Konstanz, 9. Juni 2023

»Ein Normalzustand ist selten!« Mit diesen Worten beschreibt der Leiter der #Selbsthilfeinitiative zu affektiven #Störungen, Dennis Riehle (Konstanz), seine Gefühlswelt als Betroffener einer Bipolaren Erkrankung. Es sei ein Hin und Her zwischen Höhen und Tiefen, so der 38 Jährige. In seinem Fall schnell wechselnd, in der Fachsprache als »Rapid Cycling Typ« beschrieben. Trotz der weiten Verbreitung mit etwa 2 prozentiger #Prävalenz in der Bevölkerung des #Krankheitsbildes sei es noch immer ein Tabuthema in der Gesellschaft, sagt der Psychologische Berater, der seit 2006 betroffen ist, aber bereits zuvor erste manische Phasen erlebt hatte. »Im Gegensatz zur #Depression, bei der die Stimmungslage gedrückt ist, kann sich die #Berg und #Talfahrt einer Bipolaren Störung kaum jemand vorstellen, der nicht selbst daran leidet«, erklärt sich Riehle die Distanz und Unkenntnis der Öffentlichkeit. »Und selbst bei Fachpersonen erlebte ich Zurückhaltung, nicht zuletzt deshalb, weil die Optionen an #Therapie und #Behandlung zwar vielfältig, aber eben komplex sind«. Der Journalist will mit seiner Geschichte auf die Erkrankung aufmerksam machen: »Zahlreiche Prominente der Historie waren bipolar. Und gerade aufgrund ihres Störungsbildes haben sie teilweise Enormes geschaffen. Ich kann mich gut erinnern, wie es bei mir anfing. Es war ein Erdbeben in Asien, das im Blick aus heutiger Perspektive der Beginn einer #Krankheit war, die weder ich, noch meine Bezugspersonen früh genug erkannt hatten. Ich war ein noch junger Mensch, kurz vor dem Abitur, hatte zwar Geld gespart, war aber keinesfalls derart reich, dass ich mit den Scheinen nur so hätte um mich werfen können. ›Kannst du bitte diese Überweisung mitnehmen?‹, bat ich meinen Vater eines Tages, nachdem die Spendenaufrufe über das Fernsehen verbreitet wurden. ›50 Euro? Bist du dir wirklich sicher?‹, fragte er mich. ›Ja, ich muss doch helfen‹, entgegnete ich ihm. Und noch ahnte er nicht, dass das der Anfang von Tausenden von Euros sein könnte, die in den nächsten Jahren an unzählige gemeinnützige Zwecke gingen. Das #Hochwasser in Deutschland, die #Waldbrände in Südeuropa, die Opfer des Krieges im Irak, die Obdachlosen nach den Überschwemmungen in #Indonesien und die Hungertoten von #Afrika waren nur einige ausgewählte Beispiele, für die ich fortan über diverse Hilfsorganisationen spendete. Wenige Stunden, nachdem ich eine Überweisung ausgefüllt hatte, zog ich mich in mein #Zimmer zurück. ›Was hast du da eigentlich getan?!‹, murmelte ich vor mich hin. Und ich sah mir mein #Sparbuch an, auf dem es gar nicht so üppig aussah, wie ich immer dachte. Und dann kam da ja auch noch das #Studium, das Geld kosten würde. Ich legte mich auf mein Bett, zog die Decke bis weit nach oben. Irgendwie kreisten die Gedanken um Nichts, so empfand ich es zumindest. Emotional ärgerte ich mich zwar kurz über mich selbst, aber dann verlor ich mich wieder in einer Leere, in der gefühlsmäßig null in mir stattfand. Nach knapp drei Stunden kam meine Mutter besorgt zu mir. ›Was ist denn los, warum schläfst du um diese Zeit?‹. Ja, seitdem ich Medikamente für meine Zwangserkrankung genommen hatte, die schon seit Jahren diagnostiziert war, prägte sich die Müdigkeit bei mir aus. Doch das war es in diesem Fall nicht. Dass eine kurze, depressive Phase dahinter stehen könnte, das konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht ermessen«.

Riehles Eltern machten sich rasch Sorgen um ihren Sohn und fragten: »Sind denn deine Zwänge schlimmer geworden? Oder warum überweist du so viel Geld?«. Seine Antwort war recht eindeutig: »Ich  muss diesen Menschen doch helfen. Wer hilft ihnen denn sonst, wenn nicht ich?«. Bezeichnend war die Feststellung der Mutter: »Ja, ja, du rettest die Welt«, frotzelte sie vor sich hin. Der Autor hatte damals mit einem massiven emotionalen Karussell zu tun: »Ich fand mich in einer Spirale der Selbstkritik wieder, auch wenn ich gar nicht wusste, was denn eigentlich mein Fehler sein sollte. Dass man eher das Beste für mich wollte, das konnte ich – wie Viele in ähnlichen Situationen – natürlich nicht nachvollziehen. Stattdessen baute ich in mir langsam wieder eine Trotzreaktion auf, in der Mathematik würde man sagen, die Kurve arbeitete wieder auf einen Wendepunkt zu, denn immerhin war ich im Grunde doch davon überzeugt, das Richtige zu tun. Es stellte sich ein Dauerzustand ein, der sich insgesamt über vier Jahre hinwegzog. Es wechselte zwischen Schreibtisch und meinem Bett, zwischen Ausfüllen von Überweisungen und großer Ratlosigkeit, Traurigkeit, Mutlosigkeit. Und recht plötzlich war Schluss damit. Eine drei Jahre andauernde Phase war fortan geprägt von einer alleinigen Deprimiertheit. Ich hatte das Studium abbrechen müssen, nachdem meine kognitiven Leistungen nicht mehr ausgereicht hatten. Ich konnte aufgrund neurologischer Störungen nicht mehr Vollzeit arbeiten. Und irgendwie zerbrach innerhalb weniger Monate eine ganze Lebensvorstellung, meine Träume und Sehnsüchte, die Ziele, die ich mir gesetzt hatte«. Riehle ist froh, dass sein Umfeld sensibel reagiert hat: »Meine Eltern wiederum waren diejenigen, die mich auffingen. ‚Du lebst doch nicht für die Leistung!‘. Das sagten die so einfach einem Sohn, der darauf bedacht war, Leben über den Erfolg zu definieren. Dabei ging es vor allem um dieses Gute für die Menschen. Nicht für mich wollte ich die Ergebnisse erzielen, sondern für jene, die mich brauchten. Und aus dieser Überzeugung wuchs rasch die Notwendigkeit heran, ich müsse mich doch ehrenamtlich stärker engagieren, wenn ich doch schon auf dem 1. #Arbeitsmarkt nicht mehr so richtig zu gebrauchen war. Eine Selbsthilfegruppe gründete ich, noch eine und noch eine. Und zwischendurch übernahm ich den Vereinsvorsitz hier, den Schriftführer-Posten dort und für die Protokolle war ich sowieso überall zuständig, wo ich nur hinkam. Und manches Mal hatte mein Tag plötzlich mehr Stunden, als es bei einem regulären Job der Fall gewesen wäre. Gut, ich war langsam in meinen Tätigkeiten aufgrund meiner Einschränkungen. Aber ich hatte diese Aufgaben übernommen und aus meiner Gewissenhaftigkeit heraus, die ich als Tugend von Kindheit an hochgehalten hatte, musste ich diese auch erfüllen. Und so war eigentlich vorprogrammiert, dass sich eine neue Achterbahn auftun würde, die mich schlussendlich psychisch, aber auch körperlich an den Rand dessen brachte, was man noch hätte verkraften können«, befindet Riehle rückblickend.

Er ist auch sicher, dass ohne die fachkundige Diagnostik einer Spezialambulanz und die medikamentöse Einstellung mit einer #Medikation aus #Lithium und #Neuroleptika, einerseits als Phasenprophylaxe, mit klassischen Antidepressiva gegen die noch immer sehr viel ausgeprägteren gedrückten Stimmungslagen. »Heute gibt es noch kurze Episoden, drei oder vier im Vierteljahr, kaum zu vergleichen mit dem, was ich ursprünglich erlebt habe. Auch, wenn das erst im Nachgang alles so unwirklich ist. Gerade an die hypomanen Phasen kann ich mich kaum erinnern, gebe nur müßig zu, dass das auch tatsächlich alles so übertrieben war. Allerdings gelingt mein Management besser, mein Tagesablauf ist so geregelt, dass ich ihn gut erfüllen kann – und vor allem danach zufrieden bin. Viele der psychischen Schwachpunkte konnte ich im Gespräch angehen und habe gelernt, dass nicht wenige Charaktereigenschaften auch anerzogen, nicht wirklich genetisch bedingt waren. Das Umfeld, in dem ich aufwuchs, das von Sorgen meiner Eltern über mich geprägt und wie ein Knäuel an Watte auf mich gewirkt  hat, trug sicherlich ebenso zu einer Entwicklung bei, die gleichsam Parallelen zu vielen Glaubenssätzen aufweist, die Menschen mit einem geringen Selbstvertrauen, mit dem Erleben von wenig Freiheit und einem erst spät zugestandenen und ausgelebten Verantwortungsbewusstsein haben. Doch daran kann man etwas ändern, wenn man sich neu findet und zu Veränderungen bereit ist, wenn man mit Stress besser umzugehen lernt, aber auch mit #Kritik, mit #Zurückweisung und empfundenem Unsolidarischsein. Zu erkennen, dass gewisse Haltungen, #Gefühle und #Reaktionen des Gegenübers menschlich sind und nicht zwingend auf eine einzelne Person bezogen sein müssen, ist eine echte Herausforderung. Anzunehmen, dass man selbst limitiert ist in seinem Einfluss, in seinem Erreichbaren und seinen Möglichkeiten, gleichzeitig aber dennoch wertvoll ist und sich auch im 21. Jahrhundert die Bedeutung eines Menschen nicht an seinen Aufstiegen, Karrieren und nach oben gerichteten Lebensläufen orientiert, auch das war nicht immer leicht. Und doch hat es sich gelohnt, denn auch bipolare Erkrankungen kann man wahrlich in Schach halten – und nicht nur nach oben und unten!«. Riehle ermutigt daher auch zu einer intensiven #Psychotherapie, die tiefenpsychologisch und kognitiv arbeitet. Im Mittelpunkt stand bei ihm die Auseinandersetzung mit quälenden Fragen: Wie viel Selbstwert spreche ich mir zu? Wie definiere ich meine Würde? Wie organisiere ich einen Alltag so, dass er den Ressourcen entspricht, die mir zur Verfügung stehen? Wie viel Arbeit muss ich streichen? Und vor allem: Welche will ich wirklich behalten, welche will ich vielleicht neu hinzunehmen, weil sie meiner tatsächlichen Begabung, meiner eigentlichen Freude entsprechen? Und welchen Sinn gibt es abseits von Können, Leisten und ›Dienen‹ denn wirklich? Darüber hat sich der Coach mit seinem Therapeuten sehr viele Gedanken gemacht und ist auf gutem Weg, weshalb er anderen Betroffenen Hoffnung machen will.

Die Selbsthilfeinitiative bietet bundesweit kostenlose Psychosoziale E #Mail #Beratung online an.


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