Rubrik Kultur auf dem Dreiecksplatz
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Gütersloh, Beitragssatzsicherungsgesetz, Einsparungen bei Pharmaindustrie, Großhandel und Apotheken, Februar 2003
Gütersloh, Februar 2003
Die Bundesregierung hat vor, mit dem neuen »Beitragssatzsicherungsgesetz« 1,42 Milliarden Euro bei #Pharmaindustrie, #Großhandel und Apotheken einzusparen. Das Gesetz sieht vor, der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Abhängigkeit von #Apotheken Abgabepreisen gestaffelte Rabatte von 6 bis 10 Prozent zu gewähren; zusätzlich soll der Großhandel der GKV 3 Prozent Rabatt gewähren. Die Apotheker werden außerdem mit dem Inkasso der von Industrie und Großhandel an die Kassen zu entrichtenden Rabatte beauftragt.
Schon in der Planungsphase des Gesetzes liefen Apotheker und Ärzte am 12. November 2002 Sturm gegen die rot-grünen Sparpläne – Tausende Apotheker, Ärzte, Vertreter von Pflegeberufen und Krankenhäusern sind an diesem Tag in Berlin gegen das Vorschaltgesetz von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) auf die Straße gegangen. Insgesamt rechnen die Gesundheitsberufe damit, dass rund 100.000 Menschen, die sich heute noch für die Gesundheit der Bevölkerung einsetzen, ihren Arbeitsplatz verlieren. Hauptbetroffene des Gesetzes sind die Apotheken. Allein hier werden rund 20.000 #Mitarbeiter betroffen sein. Die Auswirkungen des Gesetzes auf die Situation der Apotheken wären dramatisch. Es wird erwartet, dass diesem Gesetz jeder fünfte Arbeitsplatz in den Apotheken zum Opfer fällt.
»Wir #Apotheker sind hier, weil die Politik bei den Arzneimitteln 1,5 Milliarden Euro einsparen will. Wir sind hier, weil wir kein Verständnis dafür haben, dass von dieser Einsparsumme 1,2 Milliarden – das sind mehr als 70 Prozent – bei den Apothekern landen werden.« Das sagte Heinz-Günter Wolf, Vizepräsident der ABDA, der Spitzenorganisation der deutschen Apotheker auf der Kundgebung. Dies habe mit Solidarität, Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Vernunft nichts zu tun, sondern produziere im Gegenteil zigtausende von neuen Arbeitslosen, ganz zu schweigen von der Vernichtung mittelständischer Existenzen, so Wolf.
Massive Folgen haben die Sparpläne laut Wolf auch für die Patienten. Die Wartezeiten werden länger, die Qualität der kostenlosen Beratung und Information nimmt ab, die Notdienste, aufwendige Sonderbestellungen, die Anfertigung von Einzelrezepturen oder die Abklärung unklarer und unvollständiger Verordnungen, die pharmazeutische Betreuung behinderter, älterer oder der deutschen Sprache nicht mächtigen Patienten wird in diesem Umfang nicht mehr machbar sein.
Der Kommentar
Laut ABDA liegt die Einwohnerzahl je Apotheke im Bundesdurchschnitt bei 3.800 Einwohnern je #Apotheke – in Gütersloh also mit 4.000 zu 1 noch unter dem Durchschnitt. Auf der einen Seite ist es natürlich unverständlich, dass der Staat zwangsweise Rabatte vorschreibt – auf der anderen Seite verfügen die Apotheken auch über das absolute Arzneimittelmonopol – in den USA ist Aspirin beispielsweise in jedem Supermarkt erhältlich. Jedenfalls rangiert die Pharmaindustrie mit ihren Gewinnen gewiss nicht am unteren Ende der Umsatzrendite … das deutsche Gesundheitswesen ist durch Überreglementierung, Überanspruchung und grundsätzliche Fehlentwicklungen krank.
Sämtliche Maßnahmen der Gesundheitspolitik sind also nur Symptombekämpfung, die, wie häufig bei der Schulmedizin, am falschen Ende ansetzen. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass erhebliche Einsparungen bei besserer Volksernährung, Rücknahme der oft übertriebenen Haushaltshygiene oder Motivationssteigerung am Arbeitsplatz möglich wären. Nicht zuletzt würde auch mehr Selbstverantwortung zum Sparen beitragen – eine #Krankenversicherung, die hohe Selbstbeteiligungen bei geringeren Beiträgen bietet oder die Einführung von Karenztagen im Krankheitsfall. Fakt ist jedoch auch, dass das deutsche Gesundheitswesen ein erheblicher Wirtschaftsfaktor ist und so in den Wirtschaftskreislauf eingebunden ist, dass Einsparungen am einen Ende zu Einbußen am anderen Ende führen, wie durch den Verlust von Arbeitsplätzen und Umsätzen. Grundsätzlich scheint es so, dass die deutsche Wirtschaft längst zu einer Planwirtschaft geworden ist, die sich durch ihre Eigendynamik nicht mehr von außen – also von Seiten der #Politik – steuern beziehungsweise positiv beeinflussen lässt. Nur Dereglementierung und Steigerung der Dynamik führen zur Besserung – also genau das Gegenteil der sogenannten »sozialen Gerechtigkeit« und »Umverteilung«.
Dass sich selbst regulierende Systeme – wie der Name schon sagt – nicht fremdreguliert werden können, scheint noch nicht überall bekannt zu sein … wobei unsere Regulatoren natürlich ein Teil des Systems sind, das aber nicht wahrhaben wollen – und genau das ist das Problem, durch das das System letztlich nicht funktioniert. Natürlich ist »soziale Gerechtigkeit« richtig und wichtig – das kann allerdings nicht heißen, dass das Prinzip von Leistung und Gegenleistung nivelliert wird – die breite Masse der Menschen funktioniert so nicht. Der #Kommunismus ist letztlich ein #Utopie, die theoretisch funktionieren kann – dazu müsste sich der »Mind« der Menschen jedoch deutlich ändern. Ob das in nächster Zukunft stattfinden wird, ist fraglich – durch die Pseudoindividualisierung in der kapitalistischen Welt ist ein bewusster »Global Mind« undenkbar, obwohl er in Wirklichkeit natürlich längst da ist. »Wie im Großen, so im Kleinen« und umgekehrt – ein grundsätzliches naturwissenschaftliches und philosophisches Prinzip, dessen allgemeine Erkenntnis möglicherweise erst in der fernen Unendlichkeit zur Verinnerlichung gelangt. Eigentlich ist es bis dahin ja auch noch nicht zu spät.