Jeder dritte Erwachsene in Deutschland leidet unter Rückenschmerzen. In den meisten Fällen von akuten Schmerzen erholen sich die Patienten innerhalb von 6 Wochen, aber 15 Prozent haben länger andauernde Beschwerden. Die kleine Gruppe, welche auch nach 3 Monaten noch unter dann chronischen Schmerzen leidet, verursacht jedoch etwa 80 Prozent der Gesamtkosten dieses Gesundheitsproblems. In Deutschland gehen 70 Millionen Krankheitstage im Jahr auf das Konto von Rückenschmerzen und kosten die Volkswirtschaft rund 80 Milliarden Mark. Wirbelsäulenerkrankungen liegen auch bei den Krankmeldungen am Arbeitsplatz an erster Stelle, und 60 Prozent aller vorzeitigen Rentenanträge werden wegen Rückenschmerzen gestellt.
Was ist Chiropraktik?
Die Chiropraktik ist ein eigenständiger Heilberuf, der sich mit der Diagnose, Behandlung und Prävention funktioneller Störungen der Statik und Dynamik des menschlichen Bewegungsapparates beschäftigt. Dazu gehören die Wirbelsäule, das Nervensystem, die Muskeln, Sehnen und Gelenke.
Chiropraktik – der Begriff bedeutet »mit der Hand behandeln« – wurde als eigenständiger Beruf im Jahre 1895 von Daniel David Palmer in Davenport, Iowa begründet. Als weltweit drittgrößter Heilberuf neben der Schul- und Zahnmedizin nimmt die Chiropraktik heute eine wichtige Position zwischen Orthopädie, Neurologie, Innerer Medizin und Rheumatologie ein. Ihre Wirkungsweise und Effektivität ist wissenschaftlich nachgewiesen. Sie kann im Gesundheitswesen die Aufgabe übernehmen, Patienten mit wirbelsäulenbedingten Problemen auf natürlichem Wege zu helfen. Chiropraktoren verzichten bewusst auf den Einsatz von Medikamenten und Operationen und überweisen den Patienten an ärztliche Spezialisten wenn zum Beispiel ein operativer Eingriff angezeigt scheint.
Was behandelt der Chiropraktor?
Studien in Australien, Europa und Nordamerika haben gezeigt, dass 80 Prozent der Patienten, die Chiropraktoren aufsuchen unter Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule leiden. Dies können Beschwerden der Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule mit oder ohne Ausstrahlungen in die Arme oder Beine sein. Auch manche Formen von Bandscheibenvorfällen und Folgezustände nach Distorsionen der Halswirbelsäule (sog. Schleudertraumata) fallen in das Arbeitsgebiet von Chiropraktoren. Etwa 10 Prozent der Patienten leiden unter Kopfschmerzen / Migräne und ebenfalls 10 Prozent suchen einen Chiropraktor wegen verschiedener anderer Beschwerden auf, die von Störungen der Wirbelsäule ausgelöst oder verstärkt werden (zum Beispiel Pseudoangina Pectoris; Tinnitus, Schwindel, Menstruationsbeschwerden, Atmungs- oder Verdauungsstörungen). Es können also einige scheinbar organisch bedingte Erkrankungen ihre Ursache in einer funktionellen Störung der Wirbelsäule haben. Selbst Säuglinge und Kleinkinder können erfolgreich chiropraktisch behandelt werden. So wurde kürzlich in einer dänischen Studie nachgewiesen, daß Chiropraktik bei der Behandlung der sogenannten Dreimonatskoliken äußerst wirksam ist.
Wie behandelt der Chiropraktor?
Am Beginn jeder chiropraktischen Behandlung steht die Diagnose. Hierzu wird zunächst eine genaue Anamnese (Krankengeschichte) aufgenommen. Bei der sich anschließenden Untersuchung werden orthopädische, neurologische sowie spezielle chiropraktische Untersuchungsmethoden angewandt, wobei die Prüfung von Beweglichkeit und Gelenkspiel sowie die Palpation (Abtasten) von Wirbelsäule, Becken und peripheren Gelenken eine wichtige Rolle spielen. Häufig sind zur Sicherung der Diagnose auch Röntgenaufnahmen erforderlich.
Das Kernstück chiropraktischer Tätigkeit ist die spezifische sanfte Mobilisation blockierter Gelenke. Diese Technik wird oft auch chiropraktische Justierung (engl.: adjustment) genannt. Hierbei wird das betreffende Gelenk in einer bestimmten Richtung in Vorspannung gebracht, und mit einem kleinen, genau dosierten Impuls leicht über seinen momentanen Bewegungsspielraum hinaus bewegt. Dies ist oft mit einem hörbaren aber schmerzfreien Knacken verbunden. Zusätzlich stehen dem Chiropraktor auch impulsfreie Techniken zur Wiederherstellung der Gelenkfunktion zur Verfügung. Oft wird diese Behandlung noch ergänzt durch andere Therapiekomponenten wie zum Beispiel Triggerpunktbehandlung, Stretching, physiotherapeutische Anwendungen, Beratung und Betreuung in Bezug auf Haltungs- und Bewegungsgewohnheiten, Anleitung zur Durchführung von Übungen. Die Motivation und die möglichst frühzeitige Aktivierung und Rückkehr des Patienten in den Beruf spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
Ein Grundprinzip chiropraktischer Arbeit ist der ganzheitliche Ansatz, das heißt ein Chiropraktor wird immer den Menschen als unteilbares Ganzes betrachten. In jedem Fall wird er die gesamte Wirbelsäule untersuchen und – wo erforderlich – behandeln, auch wenn die Beschwerden nur in einem kleinen Bereich, zum Beispiel der Halswirbelsäule, bestehen. Unter diesem Gesichtspunkt muß natürlich auch die psychische Situation des Menschen mit einbezogen werden.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Ärzten und Physiotherapeuten gewinnt zunehmend an Bedeutung. Chiropraktoren werden, besonders in den USA, häufig als Teil eines therapeutischen Teams in Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen und bei der Betreuung von Leistungssportlern, zum Beispiel auch Olympiamannschaften eingesetzt. In der Rehabilitation von Patienten mit wirbelsäulenbedingten Erkrankungen hat die Chiropraktik einen festen Platz.
Welche Ausbildung hat der Chiropraktor?
Ein Chiropraktor muß über eine qualifizierte Ausbildung und viel Erfahrung verfügen, um seine Patienten sicher und effektiv behandeln und betreuen zu können, und seine Grenzen zu kennen. Kurse von wenigen Tagen oder Wochen Dauer können allenfalls einen kleinen Einblick in einige technische Aspekte der Arbeit vermitteln. Ausreichende Kenntnisse, um den Beruf des Chiropraktors auszuüben, können sie keinesfalls vermitteln. Durch einen qualifizierten Chiropraktor ausgeführt, bietet die Chiropraktik eine ausgesprochen risikoarme Behandlungsmöglichkeit von Erkrankungen biomechanischen Ursprungs.
Die Ausbildung von Chiropraktoren erfolgt weltweit nach einheitlichen, international gültigen Standards, deren Einhaltung von unabhängigen Akkreditierungsorganisationen regelmäßig überprüft werden. Da in Deutschland bisher noch keine international anerkannte Ausbildung möglich ist, müssen zukünftige Chiropraktoren an chiropraktischen Colleges im Ausland studieren. Diese gibt es unter anderem in den USA, Kanada, England, Dänemark und Frankreich. Häufig sind diese Hochschulen mit Universitäten verbunden.Voraussetzung für die Zulassung zum Studium ist das Abitur. Das Studium selbst dauert in der Regel vier bis sechs Jahre. Je nach Hochschule beziehungsweise Studienland werden unterschiedliche Studienabschlüsse erreicht. In den USA und Kanada erhält der Absolvent den Grad des Doctor of Chiropractic (D. C.). In Großbritannien schließt man nach fünf Studienjahren mit dem Master of Science in Chiropractic (MSc) ab. Es schließt sich eine mindestens einjährige Assistenzzeit bei einem erfahrenen niedergelassenen Chiropraktor an. Erst dann darf ein vom deutschen und den internationalen Fachverbänden anerkannter Chiropraktor eine eigene Praxis eröffnen.
Anders als in anderen europäischen Ländern (Großbritannien, Belgien, Schweiz, Dänemark, Schweden und Norwegen) ist die Chiropraktik in Deutschland bisher nicht als eigenständiger Heilberuf anerkannt. Aus diesem Grund müssen auch graduierte Chiropraktoren hierzulande nach dem Heilpraktikergesetz zugelassen sein, da nur Heilpraktikern und Ärzten die Anwendung chiropraktischer Behandlungstechniken erlaubt ist. Die graduierten Chiropraktoren haben sich im »Verband Graduierter Chiropraktoren Deutschlands e.V.« zusammengeschlossen. Der Verband vertritt den Berufsstand in allen wichtigen internationalen Organisationen zum Beispiel der European Chiropractors? Union (ECU) und der World Federation of Chiropractic (WFC) die auch offizielle Kontakte zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterhält.
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