Rubrik Kultur auf dem Dreiecksplatz
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Der Dritte Ort, Third Place, Great Good Place
Mit dem Begriff »Dritter Ort«, englisch »third place« oder »great good place« werden in der Soziologie Orte der Gemeinschaft bezeichnet, die einen Ausgleich zu Familie und Beruf bieten sollen, wobei die Familie der »Erste Ort«, der »first place«, ist und der Beruf, die Arbeitsstelle, der »Zweite Ort«, der »second place« ist.
Definition nach Ray Oldenburg
Der US-amerikanische Soziologe Ray Oldenburg hat 1989 das Werk »The Great Good Place« herausgebracht, in dem er sein Konzept des »Dritten Ortes« vorstellte. Seiner Auffassung nach dient der »Erste Ort« dem Familienleben, der »Zweite Ort« dem Arbeitsleben. Der »Dritte Ort« bietet zu beidem einen Ausgleich und ist ein Treffpunkt für die nachbarschaftliche Gemeinschaft.
Nach Oldenburgs Konzept weist ein »Dritter Ort« acht Charakteristika auf …
Kritik
Der Begriff »Dritter Ort« hat schnell Anklang über die Soziologie hinaus gefunden, wird aber auch kritisirt. So wird beispielsweise von Charles Soukup Oldenburgs Annahme widersprochen, dass »Dritte Orte« in der Lage seien, Hierarchien aufzuheben. Ebenso fügt Soukup an, dass es sich um ein rein westliches Konzept handle. Guido Zurstiege wiederum kritisiert, Oldenburg lasse außer Acht, dass die von ihm genannten Dritten Orte immer auch dem Konsum dienen und es insofern nur Menschen mit entsprechenden finanziellen Mitteln möglich sei, die Orte dauerhaft und regelmäßig zu besuchen. Oldenburg selbst benennt zudem Dritte Orte, die ausschließlich erwachsenen Männern zugänglich sind.
Ohnehin handele es sich um ein sehr idealisiertes Konzept, dem selbst viele von Oldenburg genannte »Dritte Orte« bei näherer Betrachtung nicht standhalten könnten. Heute gelte das umso mehr: Neue Arbeitskonzepte und Techniken, die es den Menschen ermöglichen, von jedem Ort aus zu arbeiten, machten die Trennung in drei Orte schwierig. Deutlich werde das insbesondere am Beispiel Starbucks. Oft würden diese Cafés als moderne »Dritte Orte« bezeichnet, dabei dienten sie vielen Menschen auch als Arbeitsort, also als »Second Place«, obwohl Starbucks nicht ihr Arbeitgeber sei.
Der Begriff wird darüber hinaus missbraucht, um narzisstische Tendenzen zu kultivieren. Wer die Dorfkneipe als »Third Place« bezeichnet, erhebt sich über sie, er positioniert sich dergestalt, dass er das Phänomen durchschaut und über ihm steht. Ein Dorfwirt, der seine eigene Dorfkneipe als »Third Place« bezeichnet, versucht, mehr zu sein, als er ist. Man kann das auch als »Schwurbelei« bezeichnen. Den Begriff zu gebrauchen impliziert in aller Regel ein »Impertentum«, also ein Pseudo-Expertentum. Nach dem Motto: »Das Kind muss einen Namen haben«. Das ist im Grunde genommen Idealismus.
Tatsächliche »Dritte Orte«
Typische Dritte Orte sind laut Oldenburg beispielsweise deutsche Biergärten, die Wiener Kaffeehäuser oder britische Pubs. Den Begriff verwenden auch Bibliotheken, die nach räumlichen Umbauten über die reine Ausgabe und Rücknahme von Büchern zu einem Treffpunkt ohne Konsumzwang oder einem Forum für Lesungen oder Vorträge werden. Dagegen gibt es in den USA, bedingt durch den zentralistischen Städtebau und die ausgedehnten Vorstädte, kaum solche »Dritten Orte«. Die Folge sei laut Oldenburg Stress durch den fehlenden Ausgleich.
Virtuelle Dritte Orte
Das Konzept wird mittlerweile auch auf »virtuelle Orte« angewandt. Constance Steinkuehler sprach dem MMOG »Lineage II« alle Charakteristika eines »Dritten Ortes« zu, interpretierte diese jedoch eher frei. In ihrer Untersuchung einer virtuellen »cantina«, also einer Kneipe, im MMOG »Star Wars Galaxies« geben dagegen Nicolas Ducheneaut, Robert J. Moore und Eric Nickell an, es fehle dieser an Stammgästen, das fünfte Charakteristikum sei also nicht erfüllt.
Virtuelle Treffpunkte können durch ihre Inklusivität Funktionen »Dritter Orte« erfüllen. Sie stehen allen Nutzern, unabhängig von Alter, Geschlecht oder sozialem Status offen, sofern sie einen Internetzugang haben [Anm. d. Red.]. Sie sind leicht zu erreichen und es herrscht eine spielerische Stimmung. Allerdings machen Autoren wie Soukup oder Elizabeth Reid darauf aufmerksam, dass virtuelle »Dritte Orte« technisches Equipment benötigen und insofern längst nicht jedem offenstehen. Zudem können beispielsweise durch Game-Level oder Forenrollen durchaus strenge Hierarchien bestehen [das können sie nicht nur, das ist so, Anm. d. Red.]. Ebenso spiele die von Oldenburg in den Fokus gesetzte Kommunikation zwischen Nachbarn im virtuellen Raum meistens keine Rolle und Gesprächsthemen blieben auf bestimme Interessensgebiete fokussiert [oder auf gar nichts, oft sind es nur banale, vollkommen inhalts- und bezugslose Sprachäußerungen, Anm. d. Red.]. Insbesondere Soukup spricht sich daher dafür aus, von »Virtual Third Places« als einem eigenständigen Konzept zu sprechen.