Rubrik Kultur auf dem Dreiecksplatz
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Also dieser Wahlkampf! Nö, nee! Wir müssen über Inhalte reden. Inhalte!
Gut. Reden wir über Inhalte. Cum-ex, Wirecard, genehmigte Braunkohletagebaue, Windkraftanlagenverhinderung, Befürwortung von Killerdrohnen, »Harte Kante« gegenüber Russland und China zeigen …
Wir dürfen nicht über Inhalte reden, es geht um die Kandidaten: Sind sie führungsstark? Seriös? Traut man ihnen eine Kanzlerschaft zu?
Gut. Reden wir über die Kandidaten. Der eine pseudoseriös, aber bubihaft, der andere inhaltlich realistisch, aber ein wenig unglücklich im Detail und ein wenig zu lustig, die andere besserwisserisch, aufgesetzt, selbstgefällig und plötzlich mit ausholenden Gesten arbeitend (lustiges Zitat von Friedrich Merz: »Frau B. sagt ja, sie käme aus dem Völkerrecht!« … »Ja, das sagt sie. Aus dem Urheberrecht kommt sie jedenfalls nicht!«, Zitat zum Zitat: »Ein smarter Drecksack«) … alle auch mehr oder weniger bigott … so wie alle eben sind … zumal wir, mit Pispers gesagt, sowieso alle in einem Zug sitzen, der auf den Abgrund zurast, und alle paar Jahre einen Lokführer wählen dürfen … ein Gauland hingegen: wirkt relativ seriös, fast schon wie ein »Elder Statesman«, gibt sich abgeklärt, ruhig, hat zwar seinen Laden auch nicht so richtig im Griff – was bei so einem Haufen auch unmöglich ist – klingt aber gesetzt und sachlich, wenngleich er natürlich den blanken, ja blankesten Scheißdreck von sich gibt …
Gleichwohl dürfen wir die Inhalte natürlich nicht außer Betracht lassen …
Dürfen? Also dürfen nicht? Aber verändern sich denn eigentlich die Inhalte im Wochen- oder Zwei-Wochentakt? Oder wie erklärt sich die Volatilität der Umfrageergebnisse?
Postman: »Einmal weigerte ich mich, für den Bürgermeisterkandidaten der Demokraten zu stimmen, weil ich ihn für dumm und korrupt hielt« … Postmans Vater: »Alle Kandidaten sind dumm und korrupt. Oder willst Du etwa, dass ein Republikaner gewählt wird?« … Fazit: Es ist nicht sinnvoll, den »besten« oder »geeignetsten« Kandidaten zu wählen, wenn er zwar der »beste Mann« ist (oder die »beste Frau«), aber gar nicht die eigenen Interessen vertritt. »Eigenen« im Sinne der Interessen des Wählers … seine eigenen, also im Sinne, dass die Gewählten ihre eigenen Interesssen vertreten, vertritt er sowieso.
Und davon abgesehen – Gustave Le Bon: Die Regierenden überschätzen gewaltig ihren Einfluss auf die Masse.
Im Großen und Ganzen ändert sich so oder so nichts Grundlegendes, jedenfalls nicht von heute auf morgen, es sei denn, es gäbe eine Revolution, aber, so Lenin, der Deutsche würde vorher eine Bahnhofskarte kaufen. Schon gar nicht ändert sich etwas an der Lebenswirklichkeit. Natürlich wird »Hartz Vier« beklagt … wenig Geld, viele Repressionen, teilweise Behördenwillkür. Aber hatten die Leute, als es noch »Sozialhilfe« hieß, denn mehr Geld? Und gab es weniger Repressionen und weniger Willkür? Es hat sich schlechterdings zugespitzt. Dank derer, die aber nun einmal gewählt worden waren. Natürlich waren »Riester« und »Rürup« Griffe ins Klo und eher Konjunkturprogramme fürs Versicherungsbusiness. Allerdings wurde das alles von der Bertelsmann-Stiftung erfunden, die ja nun alles andere als gewählt wurde. Man hofiert ja auch einen Maschmeyer – egal, wer regiert. Der Teufel scheißt auf den größten Haufen, komme, was da wolle. Und das ist auch so gewollt. Parteien, die das unterbinden würden, stehen gar nicht zur Wahl und würden sowieso nicht gewählt werden. Es ist zwar ein alter Sponti-Spruch, aber er ist wahr: Wenn Wahlen etwas verändern würden, wären sie längst verboten.
Es wird ja sogar schon davon ausgegangen, dass dank gewisser Absurditäten im Wahlrecht der neue Bundestag sprunghaft auf mehr als tausend Abgeordnete anwachsen wird. Wo sollen die eigentlich alle sitzen? Der Saal lässt sich schwerlich vergrößern.
Letztlich will sowieso niemand gar nichts. Am besten bleibt alles so, wie es ist, besser noch, wie es war, als es vermeintlich noch besser war. Auf jeden Fall soll – mit Karl Valentin gesagt – verhindert werden, dass es so schlimm wird, wie es längst ist.
Beispiel Klimawandel: Jeder will Klimaschutz. Er soll stattfinden. Es will ihn natürlich niemand machen, das sollen bitteschön andere tun. Die Mallorcaflüge sind laut Destatis fast wieder auf Vor-Corona-Niveau, die SUV-Neuzulassungen steigen wieder, unterlässt man Elterntaxis, wird kein Nutella mehr gekauft? Reüssieren »Unverpackt«-Läden und sind kurz davor, die großen Discounter zu verdrängen? Werden nachhaltige Smartphones in Massen verkauft, die nicht durch sinnlose Sabotage-Updates dergestalt lahmgelegt werden, dass man gezwungen ist, ständig ein neues zu kaufen, das dann wiederum sinnlose »Neuerungen« bietet? Ist die Industrie so ehrlich, zu sagen, dass der umweltfreundlichste Wäschetrockner der ist, der gar nicht erst gebaut wird, oder sagt sie: »Aber unser neuer! Energiesparklasse ›A++++++++++++++‹! Wenn Sie den jetzt aber endlich kaufen, dann ist der Weltuntergang abgewendet!« …
Würde man substantiell etwas ändern, was ja niemand will, dann würde hier alles komplett zusammenbrechen. Was ja eben niemand will. In Sachen Klimawandel: Das Klima ist ja kein statisches Phänomen. Natürlich sollten wir es möglichst nicht beeinflussen und die Umwelt nicht verseuchen. Keine Frage. Und der Einfluss des »Westens« auf den Rest der Welt ist ja schon lange unbestreitbar … so oder so. Im Guten wie im Schlechten. Aber selbst wenn wir morgen früh »klimaneutral« wären, dann wären wir doch nicht »ressourcenneutral«, und eben doch nicht »klimaneutral«, weil das nunmal nicht möglich ist. Dann müssten wir höchstwahrscheinlich mit einem Bruchteil der Weltbevölkerung auf bestenfalls bronzezeitlichem Niveau weitermachen. Was aber eben niemand wollen kann. Weil es ja auch inhuman wäre. Selbst die angestrebte aber relativ sinnlose »Transformation« wird sich mindestens viele Jahrzehnte hinziehen. Wenn nicht länger. Im erdgeschichtlichen Zeitrahmen befinden wir uns gerade in einer auslaufenden Eiszeit. Es wird also sowieso wärmer werden. Natürlich gab es einen erkennbaren beschleunigten Anstieg mit dem Beginn der Industrialisierung. Das ist nicht gut und sollte vermieden werden. Aber in einem erdgeschichtlichen Zeitrahmen haben wir nur einen sehr geringen Einfluss auf die Welt. Die Menschheit ist ein vorübergehendes Phänomen. Und in erster Linie wird halt nur gelabert und nicht gehandelt. Was aber nur natürlich ist.
Auch dieses Gerede, wir hätten in Europa schon so lange Frieden, wie nie zuvor. Das stimmt sowieso nicht und gilt bestenfalls für die jüngere Geschichte. Weltweit betrachtet gibt es so viele Kriege wie nie zuvor. Und es stimmt auch nicht nur sowieso nicht, sondern sowieso nicht. Oder war etwa der »Jugoslawienkrieg« kein Krieg? Und was hatten überhaupt die USA damit zu schaffen? Sie hatten doch wohl nur insofern etwas damit zu tun, als der Rest Europas weder willens noch in der Lage war, die Lage in den Griff zu kriegen. Die UN schon gar nicht – was die »Blauhelme« dort erreicht haben, ist ja bekannt. Der »Völkerbund«, gegründet nach dem Ersten Weltkrieg eben wegen der Erfahrungen aus ebendiesem Krieg, konnte ja – wie wir alle wissen – kurze Zeit später schon erfolgreich den Zweiten Weltkrieg samt Holocaust verhindern. Nicht. Die ganze Welt ist – so Taleb – ein Sklave des Zufalls, und – mit Hawking gesagt – ein Sklave der Gier und der Dummheit, und – mit Chomsky gesagt – das alles unterliegt einer Eigendynamik und ist »nicht-verschwörerisch«, und im Grunde genommen sind alle Menschen auf der Welt Kölner: Et kütt wie et kütt. Noch präziser – und das ist ja tatsächlich so – sind wir alle Anhänger des Kaisers (buchstäblich) … aber eben auch des »Kaisers«: Schaun mer mal, dann sehn mer scho …
Und sonst so? Geschichtliche Parallelen sind evident: Einen Julian Assange will man gerne hinrichten. Weil er die Wahrheit ans Licht gebracht hat, was man nicht tun darf. Wenn die Berichte stimmen, ist es unsäglich, wie man mit ihm umgeht. Und in 50 oder 100 Jahren wird man in den USA Schulen nach ihm benennen. Genau das haben wir mit anderen Leuten auch so gemacht.
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