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Assistenzsysteme sollen in der Pflegepraxis ankommenZoom Button

In den Reallaboren sollen bei der Erprobung neuer Hilfssysteme sowohl die Patientinnen und Patienten als auch die Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen eingebunden und geschult werden, um eine hohe Akzeptanz in der Praxis zu erreichen. Foto: Patrick Pollmeier, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

Assistenzsysteme sollen in der Pflegepraxis ankommen

Bielefeld (fhb). Die Probleme in Pflege und gesundheitlicher Versorgung kennen wir alle: alternde Gesellschaft, Fachkräftemangel, Versäulung von Hilfesystemen. Zugleich laufen seit vielen Jahren umfangreiche Forschungen zu intelligenten Assistenzsystemen, die sowohl die Pflegekräfte als auch die zu Pflegenden unterstützen sollen. Orthesen, die bei pflegerischen Tätigkeiten körperlich entlasten können, sind da nur ein Ansatz von vielen möglichen. Andere Beispiele sind Exoskelette, Prothesen oder spezielle Rollstühle einzusetzen und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Doch die Technik kommt bisher zu wenig im Versorgungsalltag an. Hier setzt das Vorhaben »Transformation in Care and Technology«, kurz »TransCareTech«, der FH Bielefeld an: Die Innovationen sollen am Ende auch wirklich in der Praxis ankommen!
 
Bei der Technikentwicklung will die FH deshalb von Beginn an Nutzerinnen und Nutzer einbinden und die Besonderheiten des Care-Kontextes berücksichtigen. Außerdem will sie Wissen bereitstellen, das zur Lösung von Strukturproblemen gesundheitlicher Versorgung beiträgt.
 
Den Begriff »Care« verstehen die Forschenden dabei als umfassenden Begriff für »Sorgearbeit«, das heißt, das Vorhaben fokussiert auf institutionelle und berufliche Kontexte von Gesundheit, Therapie, Pflege, Betreuung, Beratung und Inklusion. Dort soll interdisziplinäre Forschung dazu beitragen, die Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen zu stärken, fachliche, rechtliche und institutionelle Versäulungen aufzubrechen und in Innovationsprozessen die Potentiale neuer Technologien aufzugreifen.
 
Vernetztes Forschungsprogramm
 
Die FH Bielefeld startet mit »TransCareTech« ein neuartiges interdisziplinäres und mit der Praxis eng verzahntes Forschungsprogramm, statt wie sonst häufig nur auf Forschung in einzelnen Projekten zu setzen. In sechs Innovationskernen werden Nachwuchsgruppen fachübergreifend und zusammen mit der Praxis forschen. Schwerpunkte dabei sind: die Modellierung von Assistenzsystemen und die Entwicklung neuer Care-Technologien unter Einbezug der Nutzerinnen und Nutzer bis hin zu Anpassungen in Lehre und Lernen sowie der Berücksichtigung der Gesamtperspektive auf soziotechnische Systeme. Von besonderer Bedeutung ist ein sorgfältiger Datenschutz bei gleichzeitigem Aufbau von Datenpools, die sowohl Firmen als auch andere Forschende zur Weiterentwicklung von Technikunterstützung in Gesundheit und Pflege nutzen können.
 
Reallabore als niedrigschwelliger Zugang zum Forschungssystem
 
Die sogenannte »translationale Forschung« ist ein wichtiges Element des Vorhabens, denn sie berücksichtigt von Beginn an die Überführung neuer Forschungserkenntnisse aus dem Labor in die Anwendung. Herzstück der translationalen Forschung sind die neu zu gründenden Reallabore: eine neue Form der Kooperation zwischen Wissenschaft und Sozial- und Gesundheitswirtschaft, bei der das gegenseitige Lernen in einem experimentellen Umfeld im Vordergrund steht – berufsgruppenübergreifend und nutzerzentriert. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie neue Konzepte und Technologien die Versorgung unterstützen können. Geplant sind ein Reallabor »Geriatrie« und ein Reallabor »Frühe Hilfen«. Für Bürgerinnen und Bürger wird damit ein niedrigschwelliger Zugang zum Forschungssystem geschaffen, in dem Innovations- und Forschungsaspekte im Versorgungsalltag erlebbar werden.
 
2,8 Millionen Euro Förderung
 
Gefördert wird das Forschungsprogramm »Transformation in Care nd Technology«, kurz »TransCareTech«, vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen über eine Laufzeit von drei Jahren ab November 2021 mit rund 2,8 Millionen Euro.
 
»Die Vergabe des Projekts an die FH Bielefeld stellt eine große Anerkennung der Forschung und Würdigung der Vorarbeiten dar. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen für die Entwicklung des ›CareTech OWL‹ und ihr großes Engagement, das auf einer über Jahre währenden exzellenten Forschungsarbeit basiert«, freut sich die Präsidentin der FH, Prof. Dr. Ingeborg Schramm-Wölk.
 
Das Land Nordrhein-Westfalen hat mit der Förderlinie Profilbildung 2020 eine neue Ausrichtung der Forschungsförderung eingeschlagen und lobt die Fördermittel explizit für exzellente Vorhaben aus. Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die zukunftsweisende und innovative Ideen entwickeln und Wettbewerbsfähigkeit aufweisen, sollen künftig unterstützt werden, neue Forschungsprofile und Netzwerke auf- und bestehende Forschungsschwerpunkte auszubauen.
 
Die FH Bielefeld hat in der landesweiten Ausschreibung mit ihrem Projekt überzeugt. Insgesamt wurden 69 Projektvorhaben in der ersten Auswahlrunde eingereicht. Davon werden neun Vorhaben gefördert, an denen 15 Universitäten und je drei Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen beteiligt sind. Die FH Bielefeld ist die einzige Hochschule für Angewandte Wissenschaften, die mit einem Einzelantrag ohne Verbundpartner überzeugen konnte.
 
Ein wesentlicher Anteil der Mittel soll für die Finanzierung von wissenschaftlichem Nachwuchs mit akademischer Qualifizierung, sogenannte Postdocs, zur Leitung von sechs Nachwuchsgruppen zur Ausgestaltung der fachübergreifenden Innovationskerne verwendet werden. Dies ist eine Besonderheit für die Nachwuchsförderung an einer Fachhochschule.
 
»CareTech OWL« als Keimzelle für »TransCareTech«
 
Angesiedelt ist das neue Forschungsprogramm »TransCareTech« in dem 2019 gegründeten »CareTech OWL«, einem Zentrum für Gesundheit, Soziales und Technologie an der FH Bielefeld. »CareTech OWL« kombiniert Aspekte der sozialen, pflegerischen, medizinischen und therapeutischen Grundversorgung mit innovativer Technikentwicklung und bringt Menschen mit Unterstützungs- und Hilfebedarf sowie ihre Angehörigen mit Pflegepersonal, Medizinern, Therapeuten, Ingenieuren und Firmenvertretern der Hilfs- und Heilmittelbranche sowie weiteren Partnern aus der Gesundheitsregion Ostwestfalen-Lippe an einem Ort zusammen. Hier werden gesundheitsbezogene Fragestellungen gemeinschaftlich in einem eng verzahnten Ökosystem aus Praxen, Laboren, Musterumgebungen und Werkstätten bearbeitet. Mehr als 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Fachbereichen Ingenieurwissenschaften und Mathematik, Gesundheit, Sozialwesen und Wirtschaft gehören »CareTech OWL« an.
 
Sechs Innovationskerne

Die Innovationskerne (IK) umfassen drei eher technisch ausgerichtete und drei sozialwissenschaftliche Schwerpunkte …
 
Hard-Soft-Bioware-Co-Design

Erarbeitung von Teilmodellen des biologischen Systems Mensch komplementär zur Modellierung der eng mit dem Körper interagierenden technologischen Care-Artefakte wie zum Beispiel Prothesen, Orthesen, Exoskelette, Rollstühle oder kooperative Roboter.
 
»Data Awareness« and »Digital Human Twin«

Perspektiven auf Datenhaltung, -sicherheit, Datenverarbeitung mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen (KI/ML) in Verbindung mit Anforderungen von Care-Prozessen.
 
»Context Sensitive Software Engineering in Care«

Methoden und Vorgehensmodelle für den Einbezug der spezifischen Perspektiven und Anforderungen der Anwendungskontexte in Gesundheit und Pflege.
 
»Translational Care Research«

Verbindung von grundlagen- und anwendungs­bezogener Forschung mit der Versorgungspraxis: Transfer und Lernerfahrungen.
 
»Technology in Care-Education«

Nutzung digitaler Technologien (zum Beispiel Virtual Reality oder Augmented Reality) für Aus- und Weiterbildung im Kontext von Pflege und Therapie.
 
»Transformation of Socio-technical Care Systems«

Faktoren sozio-technischer Systeme in Care-Kontexten, Gestaltung von Transformationsprozessen auf den Ebenen von Versorgungssystemen und beruflichen Praktiken.

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