Rubrik Kultur auf dem Dreiecksplatz
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Die Zahl der Bürgerbegehren im ersten Halbjahr 2021 ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken. Das geht aus der am 20. August 2021 von Mehr Demokratie veröffentlichten Halbjahresbilanz Bürgerbegehren hervor. Wurden im vergangenen Jahr noch 24 Verfahren neu eingeleitet, sind es in diesem Jahr nur 17. Hinzu kommen zwölf Bürgerbegehren aus Vorjahren, für die aktuell noch Unterschriften gesammelt werden. Auch die Anzahl der Bürgerentscheide ist im Vergleich zum Vorjahr von zwei auf einen zurückgegangen. »Initiativen gründen, Unterschriften sammeln, Infostände machen. All das ist durch Corona schwieriger geworden. Wer es mit politischer Mitbestimmung ernst meint, senkt jetzt die Hürden für Bürgerbegehren«, so Achim Wölfel, Leiter des Landesbüros Nordrhein-Westfalen von »Mehr Demokratie«. Denkbar sei etwa die Ermöglichung der digitalen Unterschriftensammlung.
Inhaltlich gesehen zeichnet sich das erste Halbjahr 2021 durch eine Vielfalt an Themen aus. In Bedburg, Rödinghausen und Werne wurden Bürgerbegehren gegen die Ausweisung von Gewerbegebieten initiiert. In Schwerte und Brüggen gab es insgesamt drei Bürgerbegehren für den Erhalt von Stadtbäumen. In Mettmann setzte sich eine Initiative für den Erhalt einer Realschule ein. In Mönchengladbach wurde ein neues Fahrrad-Bürgerbegehren, ein sogenannter Radentscheid eingeleitet. Insgesamt sechs solcher Radentscheide sind damit aktuell noch offen: Bochum, Detmold, Kaarst, Mönchengladbach, Paderborn und Rheinbach.
Insgesamt sechs Verfahren wurden im letzten halben Jahr abgeschlossen. Eine Initiative zum Erhalt der Stadtteil-Bibliotheken in Mülheim an der Ruhr mündete in einen Kompromiss zwischen Initiative und Stadt. In Bad Münstereifel endete ein Bürgerentscheid nicht im Sinne des Begehrens. Vier Bürgerbegehren (zwei in Schwerte und eins in Brüggen, alle drei jeweils für den Erhalt von Stadtbäumen und eins für den Erhalt einer Realschule in Mettmann) wurden für unzulässig erklärt. »Leider werden immer noch zu viele Bürgerbegehren in NRW für unzulässig erklärt“, bemängelt Wölfel. „Hier muss gesetzlich nachgebessert werden. Klarere Regeln und weniger Ausschlusskriterien wären ein Anfang«, so Wölfel weiter.
Auch in diesem Jahr hat die Kostenschätzung, die für ein Bürgerbegehren vorgeschrieben ist, wieder für Probleme gesorgt. So wurde ein Bürgerbegehren in Mettmann mit der Begründung für unzulässig erklärt, dass es die Kostenschätzung nicht ausreichend abgebildet habe. In Bochum musste der Radentscheid seine Unterschriftensammlung erneut starten. Die Kostenschätzung der Stadt konnte wegen ihres Umfangs von vier Seiten nicht komplett auf der Unterschriftenliste dargestellt werden. Initiative und Stadtverwaltung fanden schließlich gemeinsam eine Lösung. In Essen war erst ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen nötig, damit die Stadtverwaltung eine Kostenschätzung erstellte. »Diese Fülle an Beispielen allein aus der ersten Hälfte des Jahres zeigt, dass die Pflicht zur Kostenschätzung abgeschafft werden sollte«, so Wölfel weiter. Die Debatte über die Kosten eines Bürgerbegehrens gehöre in die öffentliche Diskussion, nicht auf die Unterschriftenliste.
Dass die Regelungen für die direkte Demokratie verbessert werden müssen, stellte auch die Enquete-Kommission »Subsidiarität und Partizipation« des Landtags in ihrem kürzlich veröffentlichten Abschlussbericht fest. Zur Stärkung der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene sieht die Kommission eine zentrale Beratungsstelle für Bürgerbegehren vor, eine Prüfung der Ausschlusskriterien sowie eine automatische Zustellung von Abstimmungsinformationen.
Seit der Einführung von Bürgerbegehren in Nordrhein-Westfalen im Jahr 1994 gab es bis Juni 2021 insgesamt 904 Verfahren. Diese unterteilen sich in 873 Bürgerbegehren und 31 Ratsbürgerentscheide. Insgesamt fanden 270 Bürgerentscheide statt: 241 wurden von den Bürgern selbst initiiert, 29 vom Gemeinderat (Ratsbürgerentscheid). Ein weiterer Ratsbürgerentscheid wurde zurückgezogen und einer gelangt voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2021 zur Abstimmung. 295 der 873 Bürgerbegehren wurden für unzulässig erklärt, was einem Anteil von rund 34 Prozent entspricht.
Stichtag der Analyse war der 30. Juni 2021. Nicht berücksichtigt wurden Bürgerbegehren, die nur angekündigt oder öffentlich diskutiert wurden.