Rubrik Kultur auf dem Dreiecksplatz
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Zur aktuellen Situation in Afghanistan gab der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner heute das folgende Statement ab:
»Die Bilder aus Afghanistan erschüttern. Wenige Wochen nach dem Abzug der Bundeswehr haben die Taliban das Land unter ihre Kontrolle gebracht. Frauenrechte, Pressefreiheit, Bildungschancen –- all das droht nun verloren zu gehen. Zwei Jahrzehnte militärischer Intervention und ziviler Aufbauhilfe scheinen gescheitert zu sein.
Jetzt geht es darum, alle deutschen Staatsangehörigen und die afghanischen Ortskräfte in Sicherheit zu bringen. Die deutsche Bundesregierung hat jetzt für die Sicherheit unserer Staatsbürger und für diejenigen, die im Dienst unseres Staates und seiner Hilfsorganisationen standen, zu sorgen.
Die letzten Stunden haben bedauerlicherweise Zweifel aufkommen lassen, ob die Bundesregierung diese Aufgabe hinreichend organisiert hat. Denn warum die Bundesregierung erst so spät mit der Evakuierung begonnen hat, dazu gibt es nun offene Fragen.
Der Ablauf der letzten Tage muss von der Bundesregierung transparent offengelegt werden. Gab es tatsächlich Hinweise aus der Botschaft? Und falls ja, warum wurden diese nicht ernst genommen? Die Bundesregierung trägt die Verantwortung für die Evakuierung und für die möglichen Verzögerungen und die sich daraus ergebenden Gefahren für Leib und Leben deutscher Staatsbürger.
Es ist auch zu befürchten, dass aufgrund des möglicherweise verspäteten Handelns nicht alle afghanischen Ortskräfte ausgeflogen werden können. Insbesondere die Ortskräfte aus den ehemaligen Bundeswehrstandorten könnten durch den Vormarsch der Taliban gar keine Möglichkeit mehr haben, nach Kabul zu gelangen. Das muss aufgearbeitet werden.
Der Bundesminister des Auswärtigen und die Bundesministerin der Verteidigung werden in Sondersitzungen dazu Rede und Antwort stehen müssen. Die Bundeskanzlerin selbst sollte in der kommenden Woche die Sitzung des Bundestages zum Anlass für eine Regierungserklärung nehmen.
Meine Damen und Herren, die erneute Machtübernahme der Taliban wird die Region auf viele Jahre prägen. Das hat Auswirkungen auch auf Europa. Eine neue Fluchtbewegung aus Afghanistan ist möglich. Es besteht die Gefahr, dass auch Terrororganisationen unter der Taliban-Herrschaft erneut erstarken könnten. Darauf muss die Bundesregierung sich gemeinsam mit unseren internationalen und europäischen Partnern vorbereiten.
Ganz konkret: Wir müssen in den Nachbarländern Logistik und Kapazitäten schaffen, dass Menschen gar nicht erst nach Europa fliehen müssen, sondern dort nahe ihrer Heimat Unterstützung finden. Die finanziellen Zusagen für das UNHCR müssen erhöht werden. Hier muss es allerdings auch Gespräche mit den Vereinigten Staaten geben, die ihrer Verantwortung nachkommen müssen.
Das Ziel muss sein, eine Flüchtlingswelle wie 2015 aus Syrien zu verhindern. Wir empfehlen der Bundesregierung, umgehend einen Sondergipfel der Europäischen Union einzuberufen, um in diesem Format über gemeinsames Handeln zu sprechen. Es liegt im Interesse der Europäischen Union als ganzer, dass wir eine Situation wie 2015 verhindern.
Die nächste Bundesregierung muss das Engagement in Afghanistan umfassend untersuchen und eine unabhängige Evaluation vornehmen. Wir fordern das bereits seit Jahren. Die Große Koalition hat bislang keinerlei Schritte unternommen, um den Einsatz zu evaluieren. Es hat sich jetzt gezeigt, wie wichtig es ist, bei solchen Einsätzen und Interventionen eine Strategie zu haben.
Der Fall Afghanistan zeigt erneut, dass Deutschland und der Westen ihre Rolle in einer veränderten globalen Macht- und Sicherheitsarchitektur noch nicht eingenommen, noch nicht gefunden haben. Das wird Aufgabe einer nächsten Bundesregierung sein, hier konzeptionelle Arbeit neu zu leisten.«