Rubrik Kultur auf dem Dreiecksplatz
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Deutschland (ots) Das war’s also. Zwanzig Jahre lang hat sich der Westen an Afghanistan abgemüht, Tausende Soldaten sind gefallen. Und nun geht das Land einfach zurück an die Taliban. Kabul fällt ohne einen Schuss, Europäer und Nordamerikaner hauen ab.
Man kann die US-geführte Intervention ab 2001 gut oder schlecht finden, aber in jedem Fall steht fest: Die afghanische Generation, die nach 2001 aufwuchs, wird im Stich gelassen. Menschenwürde für Mann und Frau, moderne Bildung für alle und demokratische Grundsätze – all das steht jetzt in Frage. Die neuen Herren in Kabul mögen sich in ihrer Rhetorik versöhnlich geben – einen Grund, ihnen zu vertrauen, gibt es nicht. Millionen von Menschen haben jetzt in Afghanistan Angst um ihr Leben, weil sie irgendwann mal mit westlichen Ländern zu tun hatten und ihnen die Tür zur Welt vor der Nase zugeschlagen wird. Die verstopften Straßen zum Flughafen von Kabul und die Visaschlangen vor westlichen Botschaften – das ist es, was bleibt vom Traum einer offenen Gesellschaft in Afghanistan.
Im Stich gelassen wurden die Menschen von den westlichen Interventionsmächten. Das musste nicht so kommen. Zugegeben: Diese Intervention ist global gesehen gescheitert – sonst wären die Taliban längst nicht mehr da. Und natürlich musste diese Intervention irgendwann zu Ende gehen. Aber nicht so. Nicht ohne jede Strategie, ohne Absicherung, ohne Konzept, ohne Plan B, ohne Schutz für die Zurückbleibenden.
Es ist allemal besser, eine Schlacht um Kabul zu vermeiden, aber so weit hätte es nie kommen dürfen. Für den überhasteten Abzug gab es militärisch nicht den geringsten Grund. Der Krieg gegen die Taliban war ohnehin seit Jahren beendet. Es waren größtenteils noch Spezialeinheiten sowie Luftunterstützung und Logistik für das afghanische Militär vor Ort. Ihre Präsenz stärkte Afghanistans Regierung den Rücken und wirkte stabilisierend. Dann beschloss Donald Trump den Totalabzug. Joe Biden setzt ihn um, alle anderen Nato-Länder zogen mit. Und am Ende desavouiert der US-Präsident noch seine eigenen Leute, indem er behauptet, es hätte keinen Unterschied gemacht, wenn die Truppen geblieben wären. Wirklich? Hätten sie einer Taliban-Machtübernahme tatenlos zugesehen? Und wenn ja, warum waren sie dann überhaupt da?
Das afghanische Debakel des Westens ist insofern auch ein globales Desaster. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 verleiteten die USA damals nicht nur zum Einmarsch in Afghanistan – sondern auch zu einer unhaltbaren imperialen Überdehnung. Zwanzig Jahre später ziehen die USA nicht nur aus Afghanistan ab – sie reißen die Fundamente ihrer globalen Macht aus freien Stücken selber ein, nämlich die Gewissheit, dass es etwas nützt, auf ihrer Seite zu stehen. Wer auf der Welt soll jetzt noch dem Westen vertrauen? Das Debakel von Kabul ist eine Schande und der Schaden unermesslich.