Esther Bejarano im Rahmen der Kampagne »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage«, initiiert von der Schülervertretung der Anne-Frank-Gesamtschule, Aula der Anne-Frank-Gesamtschule, Gütersloh, 2012, Foto: Nikolaos Damianidis, Screenshot: »Focus«, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Esther Bejarano ist mit 96 Jahren gestorben, 2012 war sie in Gütersloh
Ein verwirrter »Focus«-Schreiberling schreibt: »Große Trauer um Esther Bejarano. Die 96-Jährige, die einen Aufenthalt im Konzentrationslager Auschwitz überlebte, ist in der Nacht zum Samstag verstorben. Das bestätigte Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, auf Twitter« … »Aufenthalt«!? Ich höre wohl nicht richtig …
»Den jungen Leuten sage ich: Ihr habt keine Schuld an dem was passiert ist. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. Ihr müsst alles wissen, was damals geschah. Und warum es geschah«, Esther Bejarano.
Esther Bejarano, geboren als Esther Loewy am 15. Dezember 1924 in Saarlouis, gestorben am 10. Juli 2021 in Hamburg, war eine deutsch-jüdische Überlebende des KZs Auschwitz-Birkenau. Mit Anita Lasker-Wallfisch und anderen spielte sie im Mädchenorchester von Auschwitz. Später engagierte sie sich in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BDA). Sie trat bis zu ihrem Tod noch aktiv im Internationalen Auschwitz-Komitee und als Sängerin auf, seit 2009 vor allem mit der Rapgruppe »Microphone Mafia« aus Köln. Esther Bejarano hat mehrere autobiografische Romane geschrieben. 2013 erschien im Hamburger Laika-Verlag ihre Biografie »Erinnerungen. Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen rechts«, das sowohl eigene biografische Kapitel enthielt, aber auch ein Interview mit Antonella Romeo.
Zum Tod von Esther Bejarano erklärt Kulturstaatsministerin Monika Grütters: »Esther Bejarano hat sich als Holocaust-Überlebende ein Leben lang dem Schmerz des Erinnerns gestellt. Sie unternahm mit ihrer beeindruckenden Zeitzeugenarbeit alles dafür, dass die schrecklichen Folgen des nationalsozialistischen Rassenwahns und die grauenhaften Auswüchse eines totalitären Staates nicht in Vergessenheit geraten. Mit ihren einfühlsamen Worten führte sie insbesondere junge Menschen heraus aus dem Schweigen in das Miteinander der Verständigung. Wir werden Esther Bejaranos unschätzbaren Beitrag zur Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte schmerzlich vermissen.«
Nikolaos Damianidis schreibt
Esther Bejarano ist gestorben.
Sie verstarb in der Nacht zu Samstag im israelitischen Krankenhaus, Hamburg.
1924 wurde sie in Saarlouis geboren und flüchtete 1940 mit ihrer Familie nach Breslau. 1941 wurde sie ins Zwangsarbeiterlager nach Neuendorf gebracht und ihre Eltern wurden nach Kowno (Litauen) deportiert und in einem Wald von der SS erschossen.
Esther und ihre Schwester wurden 1943 ins KZ Ausschwitz-Birkenau deportiert. Sie überlebte nur, weil sie bei Ankunft direkt in den Musikchor geschubst wurde und ad hoc Akkordeon im Mädchenorchester spielen sollte. »Ich kann kein Akkordeon spielen«, sagte sie und eine Gefangene entgegnete ihr: »Wenn Du nicht spielst stirbst Du!« Ihre Schwester wurde vergast, sie überlebte die Shoa nur knapp, als sie kurz vor der Befreiung des KZ Ausschwitz dem Todesmarsch in die Arme der Roten Armee entfliehen konnte.
Als wichtige Zeitzeugin war sie aktiv im antifaschistischen Kampf und setzte sich für Frieden und Demokratie ein, indem sie ihre Erlebnisse und Erfahrungen, den Nachkriegsgenerationen schilderte. Sie benannte die Verantwortlichen der Zweiten-Weltkriegs-Katastrophe und in ihren Lesungen in verschiedensten Veranstaltungen in Schulen, Gewerkschaften, linken Initiativen und Jugendverbänden und vielen mehr erzählte sie das Erlebte.
Zu ihren beeindrucktesten Schilderungen aus ihren Lebenserfahrungen gehörte unter anderem, dass auch in finstersten Zeiten und auch unter strengster Gefangenbewachung Widerstand möglich ist. Als KZ-Gefangene produzierten sie unter anderem Schalter für Siemens, die für den U-Boot Bau bestimmt waren und es ergab sich für sie eine Gelegenheit, im Konstruktionsraum eine Blaupause für die Fertigung zu manipulieren und so den späteren Bau der Kriegswaffen zu sabotieren, denn die Schalter funktionierten nicht. Wäre sie dabei erwischt worden, wäre sie sofort erschossen worden.
Trotz ihrer brutalen Erlebnisse war sie stets zuversichtlich und herzlich in ihrer Art und dem Umgang mit ihren Mitmenschen. Ihre Botschaft an die Jüngeren lautete: »Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht Euch schuldig, wenn Ihr nichts über diese Zeit wissen wollt!«
Sie forderte, dass der 8. Mai ein Feiertag werden solle, dass sei schon längst überfällig. Unter anderem war Esther Ehrenvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) und Gründungsmitglied und Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland.
Esther wurde 96 Jahre und wir werden ihren Einsatz gegen Rechtsextremismus, Rassismus und gegen Krieg würdigen.
Baruch Dayan ha‘Emet.
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