Rubrik Kultur auf dem Dreiecksplatz
Dudelsack auf dem Dreiecksplatz
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Langenachtderkunst 2016, »Waffelskulpturen«
Langenachtderkunst 2017, »GToastet«
Langenachtderkunst 2018, »Transpohrter«
Langenachtderkunst 2019, »GTrommelt«
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Die CDU-Fraktion, genauer gesagt die Junge Union, will mehr Systemgastronomie, mehr Gastronomieketten in die Gütersloh Innenstadt holen und hat einen Antrag gestellt, nach dem die Stadt solche Betriebe aktiv anwerben soll. Der Antrag wurde an den Ausschuss für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing gerichtet, der Mitte Juni 2021 tagen wird. Systemgastronomen seien Besuchermagneten, so der Finn-Ole, die Lara und der Niklas von der Jungen Union. Solche Betriebe trügen zur Lebendigkeit und Aufenthaltsqualität einer Innenstadt bei. Aktuelles Beispiel sei die Kette »Royal Donuts«, vor deren Filiale in der Fußgängerzone Berliner Straße sich oft Schlangen bilden und die vor allem junge Leute anlockt. Für die Gütersloh sind solche Angebote vermeintlich ein Grund, in die Innenstadt zu gehen. Mit »angesagten« Lokalitäten werde die Innenstadt attraktiver, möglicherweise entwickele sich sogar eine abendliche Ausgehkultur. Derzeit müssten die Gütersloher oft in Nachbarstädte ausweichen, um auszugehen. Wobei mit »Nachbarstädten« ja wohl nur Bielefeld gemeint sein kann. Das ist ein Schlag ins Gesicht der inhabergeführten Gastronomen, die es ohnehin schwer genug haben. Sowieso und in Coronazeiten erst Recht. Das nächtliche Essen in irgendwelchen Fastfood-Läden ist schlechterdings eine Begleiterscheinung eines urbanen Nachtlebens. Viele innerstädtische Lokale haben jedenfalls nicht wegen zu großen Erfolgs geschlossen. Und auch der Systemgastronom »Nordsee« war dem Bekunden nach pleite. Wobei das keine Kritik an den Betreibern solcher Lokale ist. Das sind ja auch örtliche Gastronomen. Es geht vielmehr um die Franchisegeber, die Monopolisten an sich. Natürlich ist das ganze ein Teufelskreis – keine Nachfrage, kein Angebot – kein Angebot, keine Nachfrage. Aber auf der anderen Seite gab es das Angebot und die Nachfrage hat nachgelassen. Wenn die vorhandenen Läden überfüllt wären, würden neue aufmachen. Am besten »holt« man Läden in die Stadt, wenn es eine Nachfrage gibt. Mit was würde man denn bei den besagten Systemgastronomen argumentieren wollen? Und warum Systemgastronomen – warum nicht inhabergeführte Lokale? Was soll das? Es gilt: »Think globally, act locally«. Sind Gütsler Gastronomen etwa nicht mehr gut genug? Nicht beliebt genug? Was sich die Jugend eigentlich wünschen müsste, wären Szenelokale und Clubs. Aber Gütersloh ist nun einmal keine Studentenstadt. Und Gütersloh ist nicht urban. Gütersloh ist halt das beste Kaff im Kosmos. Aber geht es vielleicht eher um eine generelle Attraktivität der Innenstadt, also auch tagsüber? Es gibt zahlreiche Gastronomen in der Innenstadt. Und wo geht die Jugend hin? Bestenfalls ins Alex oder zu den Betrieben am Zentralen Omnibusbahnhof. Wie schon geschrieben, sind das sowieso alles pseudorationale Argumente, die an verkaufsoffenen Sonntagen, »Black Fridays« oder während verschiedener Veranstaltungen plötzlich keine Rolle mehr spielen – da ist die Innenstadt trotz vermeintlicher Unattraktivität, vermeintlich mangelnder oder zu teurer Parkmöglichkeiten oder angeblich unbeliebter Ladenketten, Handyläden oder »Backshops« brechend voll. Das ist also nicht der Punkt. Schon Postman hat es auf den Punkt gebracht, wahrscheinlich schon viele vor ihm: Was die Menschen aufmerksam macht, ist das »Ereignis«. Und genau deshalb funktionieren die besagten Ereignisse, weil es eben Ereignisse sind, weil Ereignisse salient sind. Das funktioniert auch in den Medien. Dort werden sogar Pseudoereignisse inszeniert – nur, um dann darüber berichten zu können. Wie beispielsweise live übertragene Pressekonferenzen, was völlig absurd ist, denn Pressekonferenzen sind eigentlich für die Presse gedacht, nicht fürs Publikum. Als die Innenstadt früher einmal urban war, war es schon ein Ereignis an sich, »in die Stadt« zu fahren. Alternativ zum Ereignis funktionieren auch die Notwendigkeit und vor allem die Gewohnheit. Erstere besteht leider nicht, Letztere ist offenbar abgeebbt. Ereignisse, Notwendigkeiten und Gewohnheiten führen zum Willen. Und der Wille führt zur Handlung. Die bekannten Argumente sind samt und sonders pseudorational, der Mensch ist aber irrational. Es ist schon verrückt – auf der einen Seite stellen die Leute, insbesondere die Jüngeren, immer mehr auf Marken ab – also in diesem Fall auf die Systemgastronomie. Auf der anderen Seite spielen sie bei Instagram oder Tiktok herum, wo es im Grunde genommen nur um Menschen geht. Warum kaprizieren sie sich dann nicht auf ihre unmittelbaren Mitbürger? Also die Gütsler Gastronomen? Kirchturmdenken wird ja beklagt … wenn’s denn mal noch stattfände. In einem gesunden Maß.
Was tun?
Vielleicht wird es Zeit, gedanklich auf einer neuen Ebene an das Problem heranzugehen? Bisher wird das Thema immer unter dem Gesichtspunkt des Marketings betrachtet. Dabei ist die sogenannte AIDA-Formel essenziell: Attention, Interest, Desire, Action. Und diese Formel funktioniert, aber eben leider nicht nachhaltig. Sie funktioniert genau so, wie erwähnt: Konkret wird die Aufmerksamkeit durch das »Ereignis« erweckt (nehmen wir den »Gütersloher Frühling«). Das Interesse wird durch den Inhalt der Veranstaltung geweckt, das Verlangen ebenso durch den Inhalt und das Phänomen der »Fear of missing out« (der Angst, etwas zu verpassen, nicht dabei zu sein). Und die Aktion ist dann eben, hinzugehen. Eine dauerhafte, ständige Aufmerksamkeit ist schwierig zu erreichen. Sie könnte dadurch erreicht werden, dass ständig etwas los ist, sodass die Innenstadt als ständiges »Ereignis« empfunden wird. Das wäre jedoch ein logischer Zirkelschluss und ein sich selbst erhaltendes und sich selbst verstärkendes Phänomen. Mithin eine Resonanz. So funktionieren die Social-Media-Algorithmen und »Influencer« oder die sogenannten »It-Girls« – sie sind bekannt, weil sie bekannt sind, und sie sind dafür bekannt, dass sie bekannt sind. Das gleiche gilt für ihre Beliebtheit. Man muss das ganze nur erstmal ans Laufen bekommen. Man könnte auch bei einem ständigen Interesse oder einem ständigen Verlangen ansetzen, weil eben ständige Events nicht umsetzbar sind und sich das dann auch abnutzen würde. Auf anderen Wegen ständig für Interesse und Verlangen zu sorgen, dürfte schwierig sein. Zumal eben ein Trend zur Austauschbarkeit und Beliebigkeit festzustellen ist. Eine andere mögliche Betrachtungsweise wäre eine psychologische. Aus Sicht der positiven Psychologie und des Buddhismus ist Glück, der sein zu wollen, der man ist. Die Gütersloher Innenstadt ist also unglücklich, weil sie nicht die sein will, die sie ist. Und mit Unglück will man nichts zu tun haben. Die breite Masse hat kein permanentes Helfersyndrom und ist empathielos, es sei denn, es ginge um Einzelschicksale. Deshalb werben Spendenaktionen beispielsweise mit einzelnen, sichtlich hungernden Kindern, deshalb werden einzelne Ladenschließungen beklagt. Eine Innenstadt an sich wird hingegen als amorphe Masse von Schicksalen wahrgenommen, im Sinne von Stalins Diktum als Statistik. Es wäre also ein möglicher Ansatz, die Innenstadt dazu zu bringen, die sein zu wollen, die sie ist, sodass sie glücklich ist. Und das mögen die Leute. Man muss die Leute dazu bringen, die Innenstadt zu lieben. Einen ähnlichen Ansatz hatte der Grafik-Designer Michael Kuhne vor einigen Jahren für den Weihnachtsmarkt vorgeschlagen: Nehmen wir ihn doch, wie er ist … als vermeintlich reinen »Sauf- und Fressmarkt« – soll er sein, was er ist, denn offenbar ist es ja das, was die Leute wollen. Und nicht umsonst werben ja große Marken teilweise auch auf einer rein emotionalen Ebene (»Ich liebe es« (McDonald’s), »Can’t beat the feeling« (Coca Cola)). Noam Chomsky beschreibt diese Manipulationsstrategie, die eben die Rationalität unterdrückt (die aber ohnehin nicht stattfindet), Schopenhauer bezeichnet das als »Kunstgriff« der Eristik, wobei er von einer »Eristischen Dialektik« spricht. Arbeiten wir mit dem Verlangen (»Desire«). Rationale Argumente funktionieren – wie beschrieben – eben nicht, denn der Mensch ist irrational. Dieses Vorgehen würde auch die ständige Dissonanz auflösen. Gütersloh, das beste Kaff im Kosmos. Und wenn Gütersloh erst einmal die Stadt sein will, die sie ist, dann nennt man das in der Psychologie Akzeptanz beziehungsweise Integration. Und dann kommt sie mit Elisabeth Kübler-Ross gesagt ins Handeln. Dann hat sie die Energie dazu, die sonst durch die ständige Dissonanz verlorengeht. Im Grunde genommen läuft es auf das Personenmarketing nach Stephan Gebhardt-Seele hinaus. Eine Marke lässt sich nur mit erheblichem Aufwand etablieren und wird dennoch und immer wieder hinterfragt, sie kann auch von heute auf morgen verschwinden. Eine Person hingegen wird prinzipiell in ihrer Existenz nicht hinterfragt, sie verschwindet auch nicht einfach so. Und Marketing ist kein Wettbewerb, sondern Krieg. Es gibt keinen zweiten oder dritten Sieger. Entweder Gütersloh gewinnt und man geht hin oder nicht. Nicht im Sinne eines Kampfes mit irgendeiner Konkurrenzstadt, sondern im Kampf um das, was die Leute tun wollen – in die Innenstadt zu gehen oder lieber zu Hause zu bleiben. Deshalb stellt Gebhardt-Seele auch auf Clausewitz’ Standardwerk »Vom Kriege« ab. Einen Krieg gewinnt die zahlenmäßig überlegene Armee –nicht die mit der besten Ausrüstung oder der raffiniertesten Strategie. Und ist es keine generelle zahlenmäßige Überlegenheit, so kann es eine Überlegenheit in einer bestimmten Situation sein, bei einer bestimmten Aktion, so arbeiten Partisanen und Guerilleros, so funktioniert Guerillamarketing. Soll heißen: Gütersloh ist nicht die größte und urbanste Großstadt in der am meisten los ist. Aber in einem bestimmten Moment kann Gütersloh die meisten Argumente haben, um im Krieg um die Aufmerksamkeit zu siegen. Schaffen wir gemeinsam immer wieder diese Momente. Betreiben wir kein Kirchturmdenken, sondern Kirchturmhandeln. Think globally, act locally. Versuchen wir nicht das Gegenteil. Es funktioniert nicht. Schlechterdings bei internationalen Großkonzernen. Aber die sind nicht unser Freund. Das Stadtmarketing könnte mal eine SoC-Erhebung machen … https://en.wikipedia.org/wiki/Sense_of_community …
Eine psychologische, metaphorische Betrachtung
Die Definition von Glück ist eine recht abstrakte Betrachtung aus psychologischer Sicht. Machen wir es konkreter und stellen uns vor, Gütersloh wäre eine Frau, der man ständig sagt: »Du bist nicht attraktiv, mit Dir ist nichts los, vor Deiner Haustür kann man nirgends parken«. Das heißt in Wirklichkeit: Man mag sie nicht, schon gar nicht liebt man sie. Sie kann sich nun schminken, wie sie will (»Attraktivität der Innenstadt«) – es hilft doch nichts. Sie kann eine Party veranstalten (Veranstaltungen), da kommt man vorbei – es hilft doch nichts. Und wenn sie eine Party veranstaltet, ist das Parken plötzlich kein Thema mehr, dann ist man bereit, ein paar Schritte zu gehen. Aber die Party ist halt am nächsten Tag vorbei. Würde man sie umgekehrt mögen oder gar lieben, würde man dann solche pseudorationalen Gegenargumente vorbringen? Nein, man würde überhaupt nicht argumentieren. Würde man eine Umfrage veranstalten? Checklisten machen? Besucherzählungen? Analysen? Würde man bei Menschen, die man mag, so etwas machen? Niemals. So etwas macht man bei Menschen, die man nicht mag. Genau das. Das sind aber lediglich Rationalisierungen, um sich selbst zu rechtfertigen, wenn man dann nicht lebt und leben lässt, sondern hasst. Im Grunde genommen hasst man sich selbst. Würde es etwa funktionieren, wenn sie nun sagen würde: Sieh her, ich habe mich geschminkt! Und morgen mache ich eine Party, ich habe sogar für Parkplätze gesorgt. Nun möge mich gefälligst! So etwas funktioniert vielleicht bei Instagram. Aber auch nur vermeintlich. Oberflächlich. Angeblich. So bekommt man »Follower«, die einem Likes geben. Aber wie heißt es so schön? »Ich habe 1.000 Facebookfreunde, aber beim Umzug hat mir keiner geholfen« … und »Beliebt zu sein bei Instagram ist so, wie reich zu sein bei Monopoly«. Und man stelle sich »wahre Liebe« in gewissen Kreisen vor: »Alter! Isch lieb’ dem total! Der hat krass AMG, Rolex und Sixpack!« … will das Gütersloh? Eher nicht. Wobei das ganze natürlich sehr komplex ist, es ist auch von Wechselseitigkeit geprägt. Man könnte fast sagen, Gütersloh bräuchte eine Paartherapie. Manche Gütersloher mögen Gütersloh nicht und Gütersloh mag manche Gütersloher nicht. Man könnte womöglich ein ganze Buch darüber schreiben, und solche Bücher mag es geben. Aber stimmt das, was darin steht? Und dann gibt es beispielsweise auch das folgende Problem: Viele, sogar bekannte Philosophen wie Adorno, glauben, Philosophie sei ein Handwerk. Sie irren sich. Das ist das gleiche wie mit Kunsthandwerk und Kunst. Viele Gütersloher mögen Gütersloh, so ist es ja nun auch nicht. Das sind dann die, die auch die positiven Seiten erkennen und benennen. Die negativen Seiten sind ihnen egal. Man kann hie und da schön draußen sitzen, hie und da ist mal was los, wir haben einen schönen Stadtpark samt Botanischem Garten, das ließe sich fortsetzen. Allerdings machen Beziehungen Komplimente, Komplimente machen noch lange keine Beziehungen. Und wir haben tolle Angebote, tolle Läden, tolle Plätze, das ist alles da. Man denke beispielsweise mal an Herbert Grönemeyers Hit »Bochum«. Im Text wird genau das gesagt, was hier dargelegt wird: »Du bist keine Schönheit, vor Arbeit ganz grau … Du liebst dich ohne Schminke … Leider total verbaut … Aber grade das macht dich aus« … »Du bist einfach zu bescheiden« … »Du bist keine Weltstadt auf deiner Königsallee … Finden keine Modenschaun statt … Hier, wo das Herz noch zählt (nicht das große Geld)« … und dann: »Bochum, ich komm aus dir« und »Bochum, ich häng an dir … Oh, Glück auf, Bochum«. Im Grunde genommen ist das Lied »Bochum« essenzielles Stadtmarketing. Und was sagt man denn in der Fremde über Gütersloh? Miele und Bertelsmann. Das sind die Stichworte. Man kann freilich niemanden dazu zwingen, jemanden zu mögen. Aber wer glücklich ist, in dem Sinne, dass er der sein will, der er ist, der strahlt das auch aus, in der Psychologie nennt man das »Übertragung«, salopp gesagt findet eine Resonanz statt.
Auf den Punkt gebracht
Der Gedanke ist der: Gütersloh will mehr sein, anders sein, als es ist. Das führt zu Dissonanz. Damit will man nichts zu tun haben. Ein Fünfjähriger würde sagen: »Die Gütersloher finden Gütersloh scheiße, weil Gütersloh sich selbst nicht mag … und mit so einem will niemand spielen. Gütersloh soll lieb sein! Und auch mal lachen und mit mir spielen. Nicht immer nur rumnörgeln, schmollen, schimpfen, alleine in der Ecke stehen und mein Spielzeug wegschmeißen« … das würde er sagen, wenn er Gütersloh nicht mag. Wenn er Gütersloh mögen würde, würde er gar nichts sagen, sondern mit ihm spielen. So einfach ist das. Und wenn Gütersloh in mögen würde, würde eben beide miteinander spielen. Wobei ja schon mit Akzeptanz viel getan wäre.